piwik no script img

Verkohlt und ungeröstet

■ Eklige Würste und Plattenbauten prägen das 1:1 zwischen VfL Wolfsburg und FC St. Pauli aus VW-City Max Schulz

Sicherlich ist es unfair, eine Profi-Fußball-Spielstätte nach der Qualität der dort verkauften Wurstwaren zu beurteilen. Und mächtig fies wäre es, einem Verein wegen des Verkaufs von verkohlten oder fast ungerösteten Thüringer und Krakauer Bratwürsten die Erstliga-Reife absprechen zu wollen. Doch auch St. Pauli-Fans haben ihren lukullischen Stolz und schütteten demzufolge eimerweise Häme über die bemitleidenswerten Wurst- und Bier-(Ersatz)-Verkäufer im Wolfsburger VfL-Stadion, die am Sonnabend zum ersten Mal in dieser Saison mit einem ausverkauften Rund konfrontiert wurden.

An die Fünf Neuen Bundesländer fühlten sich einige erinnert und hatten ob der Entourage des Stadions im Schatten einer plattenbau-ähnlichen 50er Jahre-Siedlung und der mächtigen vier Schornsteine des Volkswagenwerkes gar nicht einmal so unrecht. Dabei hatten sich die Verantwortlichen des VfL Wolfsburg ziemliche Mühe gegeben, ein wenig Eindruck auf den Gast aus der großen Stadt zu schinden. Ein überdimensioniertes Tuch in Grün-Weiß wurde für den Hardcore-Fan-Block angeschafft, eines, das sich die Fans bei Erfolgen ihrer Mannschaft über den Kopf ziehen können, um den ganzen Block in den geliebten Vereinsfarben erleuchten zu lassen. Was zugleich – während aus dem Stadionlautsprecher noch eine Reklamedurchsage für eine Pizzeria, deren Teigfladen auch zu Hause verspeist werden dürfen – einigermaßen erfolgreich erprobt wurde. Fast so wie in der Bundesliga 1, mit der beide Mannschaften aufgrund ihres Tabellenstandes liebäugeln dürfen.

Spielerisch entsprach die erste Halbzeit eher dem Ambiente des VfL-Stadions: biedere Regionalliga-Kost. Nach einer ziemlich unansehnlichen und vor allem hektischen Anfangsphase erbarmte sich der VfL Wolfsburg und setzte die spielerischen Akzente. Claus-Dieter Wollitz wurde es von seinem Bewacher André Trulsen auf nahezu fahrlässige Art und Weise gestattet, dem Spiel der Gastgeber ein wenig Kreativität einzuhauchen. Torsten Fröhling, der überraschend anstatt des Millerntor-Novizen Christian Springer auflaufen durfte, war gegen den Wolfsburger Goalgetter Stefan Meißner zumeist nur in einer Statistenrolle zu bewundern. Die einzige erwähnenswerte Chance der St. Paulianer vertändelte Minipli-Bomber Juri Sawitschew in der 37. Minute, als er es vorzog, alleinstehend vor dem Tor, den Ball auf den wesentlich schlechter postierten Bernd Hollerbach zu spielen, so daß das Spielgerät im Toraus landete. Auf der Gegenseite war es Stefan Meißner, der in der 39. Minute den 1:0-Pausenstand erzielte, nachdem er in der 22. und 23. Minute bereits zwei riesige Chancen vergrützt hatte.

Im zweiten Spielabschnitt offenbarte der FC St. Pauli, warum er in den vergangenen dreizehn Spielen keine Niederlage einstecken mußte. Je länger das Spiel dauerte, desto mehr machte sich das Mehr an Konditionsstärke bei den Maslo-Eleven bemerkbar. Obgleich es der Kiezclub offenbar versäumt hatte, seinen Spielwitz mit in die Volkswagen-Metropole zu nehmen, gelang es den Kickern, das Spiel zunehmend offener zu gestalten. Ja, sie schafften es sogar, den Ausgleich zu erzielen, als eine Flanke von Bernd Hollerbach vom Bein des Wolfsburgers Detlev Dammeier in der 58. Minute zum 1:1-Endstand ins Wolfsburger Tor sprang. Daß Jens Scharping in der 71. Minute nur die Latte traf, akzeptierten die über 5.000 mitgereisten St. Pauli-Fans sodann als ausgleichende Gerechtigkeit.

Zumal es aus pekuniären Erwägungen durchaus wünschenswert wäre, wenn beide Mannschaften in der kommenden Saison in einer Liga, am liebsten natürlich in der Bundesliga, spielen würden. Denn Wolfsburg ist mit dem neuen Bundesbahn-Nahverkehrsticket (fünf Reisende für 15 Mark) zu erreichen. Und wen stört da noch ernsthaft die Provinzialität der Volkswagenstadt oder die halbgaren, halbverbrannten Würste?

Mannheim – Nürnberg 2:1

Wolfsburg – FC St. Pauli 1:1

Rostock – Hertha BSC 2:1

Leipzig – Wattenscheid 0:2

Chemnitz – Köln 0:1

Frankfurt – Zwickau 3:0

Homburg – Mainz 1:2

Meppen – Hannover 1:0

Düsseld. – Saarbr. heute abend

1. Wolfsburg 18/30:15/26:10

2. FC St. Pauli 18/30:19/24:12

3. Rostock 18/34:16/23:13

4. Mannheim 18/26:18/23:13

5. Düsseldorf 17/25:15/22:12

6. Meppen 18/26:22/21:15

7. Hertha BSC 18/22:18/20:16

8. FSV Mainz 18/31:30/19:17

9. Wattensch. 18/30:29/19:17

10. Homburg 18/29:29/17:19

11. Köln 18/24:22/16:20

12. Zwickau 18/21:25/16:20

13. Chemnitz 18/19:29/16:20

14. Saarbr. 17/21:24/15:19

15. Nürnberg 18/22:32/15:21

16. Hannover 18/25:30/14:22

17. Leipzig 18/21:31/11:25

18. Frankfurt 18/20:52/5:31

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen