Richtkrone für das Gürteltier

■ "Ludwig Erhard Haus", die zukünftige neue Börse, feiert Richtfest

Zum Selbstverständnis Berlins als Stadt mit Zukunft gehört die Vorstellung, auch Wirtschaftskapitale zu sein. Mit dem Bau des nach dem fleischgewordenen Symbol deutschen Wirtschaftswunders benannten „Ludwig Erhard Haus“ in der Fasanenstraße glaubt man sich auf dem richtigen Weg. Die erste Etappe auf diesem Weg wurde gestern mit dem Richtfest am Ludwig Erhard Haus gefeiert, das ab 1997 Raum für die Berliner Börse (BB), die Industrie- und Handelskammer (IHK) und andere wirtschaftsnahe Dienstleistungsbetriebe bieten soll.

Das einmal unter einem riesigen Tonnendach liegende Gebäude in der Form eines Gürteltiers des britischen Architekten Nicolas Grimshaw, der 1991 als Sieger aus einem Bauwettbewerb hervorgegangen war, zeugt denn auch nach den Worten von IHK-Präsident Horst Kramp vom Optimismus und der Aufbruchstimmung der hiesigen Wirtschaft. Mit dem Haus stelle sich die IHK auf „die Perspektiven des neuen Berlin gemeinsam mit Brandenburg“ ein. Der „mutige Entwurf“ verpflichte, sich immer wieder neu den „Herausforderungen der Wirtschaft zu stellen“, sagte Kramp unter dem ersten der insgesamt 15 Stahlbögen, die das supermoderne Dach einmal tragen werden.

Dem Auftrieb der Bosse unter den rund 1.000 Gästen hatte sich auch der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen angeschlossen, der in seiner bisherigen Amtszeit mehr Arbeiter und Betriebe gehen als kommen sah. Er bezeichnete das „Gürteltier“ als einen „großen architektonischen Wurf“. Diepgen forderte die Vertreter der Industrie und Wirtschaft auf, am Standort Berlin zu investieren und ihn leistungsfähiger zu machen.

Der Regierende stichelte zugleich gegen die Maximen des Senatsbaudirektors. Der Entwurf zeige, „welche baulichen Höchstleistungen im engen Korsett der Stimmannschen Dreieinigkeit aus Traufhöhe, Steinfassaden und Blockrandbebauung möglich sind“. Diepgen erinnerte damit an den Streit zwischen der Bauverwaltung und Nicolas Grimshaw, dessen modernes Konzept für das zurückversetzte freistehende Haus erst abgelehnt und erst in leicht veränderter Form (das Haus mußte bis zur Fasanenstraße vorrücken) genehmigt worden war.

Grimshaw sieht sein 38 Meter hohes Bogenhaus aus Glas und Stahl, großen offenen Etagen mit Sälen und Büros, Restaurants sowie Theater- und Ausstellungsflächen eher in der Tradition von Hans Scharouns Philharmonie als in der steinerner Mietskasernen, wie er gestern sagte. Die 255 Millionen Mark teure Kathedrale der Wirtschaft mit 22.000 Quadratmeter Nutzfläche soll 1997 fertiggestellt sein. Die alte Börse wird nächstes Jahr abgerissen. Rolf Lautenschläger