: Rechte Heimatpolitiker
Sie sind Garant revanchistischer Töne: Im sudetendeutschen Witiko-Bund tummeln sich Rechtsextreme und hetzen gegen „Überfremdung“ ■ Von Bernd Siegler
Von „tschechischer Raubsicherungspolitik“ reden sie, sie kämpfen gegen „perverse Fremdenliebe“ und verharmlosen Massaker der SS als „völkerrechtlich übliche Sache“. Der Witiko-Bund, die „nationale sudetendeutsche Gesinnungsgemeinschaft“, ist kein Freund von Ausgleich und Versöhnung, sondern Garant für harsche revanchistische Töne. Trotzdem gibt es für Konrad Badenheuer, Sprecher der Sudetendeutschen Landsmannschaft (SL), keinerlei Grund, gegen den Witiko- Bund vorzugehen, in dem sich zusehends Rechtextremisten aller Couleur tummeln und wohl fühlen. „Wir können doch nicht jedem Mitglied auf den Mund gucken“, kommentiert Badenheuer das muntere Treiben der Witikonen. Auch das Bundesinnenministerium sieht noch lange keinen Handlungsbedarf.
Innerhalb der SL stellt der Witiko-Bund den rechten Flügel dar. Im Gegensatz zu der eher sozialdemokratisch orientierten Seliger- Gemeinde und der katholischen Ackermann-Gemeinde, setzt die rechtslastige Gesinnungsgemeinschaft weniger auf Ausgleich und Versöhnung mit der Tschechischen Republik als auf Rückgabe der alten Heimat. Schon bei der Gründung 1950 waren zahlreiche ehemalige NSDAP- und Hitlerjugend-Funktionäre mit von der Partie. Immer wieder saßen NPD- Mitglieder in führenden Positionen des Witiko-Bundes und torpedierten die Bemühungen der anderen Gesinnungsgemeinschaften, die Probleme der Vertreibung ohne Gebietsansprüche und Drohgebärden zu lösen. Auch heute noch haben der Witiko-Bund und seine Publikation Witiko-Brief nichts an Anziehungskraft für Rechtsextremisten verloren.
Dafür sorgt Walter Staffa, seit 1990 Bundesvorsitzender des etwa 1.000 Mitglieder zählenden Witiko-Bundes, stellvertretender SL- Vorsitzender und presserechtlich Verantwortlicher des Witiko-Briefes. „Das grausame Geschehen einer Vertreibung kann eines Tages die Vertreiber selbst treffen“, erhebt der 77jährige Allgemeinmediziner aus Nürtingen darin drohend seine Stimme. Den Holocaust verharmlosend, bezeichnet er die Vertreibung als das „schlimmste Verbrechen während des Zweiten Weltkrieges“. Staffa hat es sich zum Ziel gesetzt, „die durch laufende Desinformationen weitverbreiteten zeitgeschichtlichen Lügen zu entlarven“.
Dabei erhält er Schützenhilfe von Horst-Rudolf Übelacker, stellvertretender Witikonen-Chef und vormals bayerischer Landtagskandidat der „Republikaner“. Der widmet sich im Witiko-Brief der Vergeltungsaktion der SS in Lidice: „Hier sind die 133 Opfer von Lidice zu beklagen. Etwas, was leider in Kriegszeiten eine völkerrechtlich übliche Sache ist.“ Auch über das Leben der Tschechen unter den Nazis weiß Übelacker, im Januar letzten Jahres mit dem Großen Ehrenzeichen der Sudetendeutschen Landsmannschaft dekoriert, nur Positives zu berichten: „In der Protektoratszeit ging es den Tschechen den Verhältnissen entsprechend gut, sie hatten ein gutes Auskommen, wenige Opfer und keine Kriegsgefallenen zu beklagen.“
Aktuell kämpft Übelacker gegen die „tschechische Raubsicherungspolitik“ und gegen den „Verrat“ von Unionsabgeordneten und SL- Funktionären an der sudetendeutschen Sache. Er meint damit auch Bundeskanzler Helmut Kohl, der in seiner Regierungserklärung Anfang Juni als Ursache der Vertreibung den deutschen Angriffskrieg ausgemacht und den Tschechen die Versöhnung angeboten hatte. Solche Schritte zur Annäherung an Tschechien bezeichnet Überlacker als „Rechtsaufweichungspolitik“. „Eine schuldlose, tapfere deutsche Volksgruppe ist bedroht, geopfert zu werden, soll in ,gute‘ und ,schlechte‘ Sudetendeutsche aufgeteilt, geschwächt und politisch atomisiert werden durch Bestreitung ihrer Identität.“ Die wähnt er generell durch ein „Millionenheer volksfremder Zuwanderer“ in Gefahr. Die Grenzfrage ist für Übelacker, im Gegensatz zur offiziellen Linie der SL, selbstverständlich offen.
Schriftleiter des Witiko-Briefes ist Hans-Ulrich Kopp, Aktivist der rechtsextremen Münchner Burschenschaft Danubia und langjähriger Redakteur der Jungen Freiheit. Für ihn verhalten sich die Tschechen wie „Trunkenbolde“ im früheren deutschen Klassenzimmer. Dem Witiko-Bundesvorstandsmitglied liegt das deutsche Blut besonders am Herzen. Deswegen kann er sich mit der von Rita Süssmuth befürworteten Änderung der geltenden Staatsbürgerdefinition nicht abfinden. Damit werde „die zweite Vertreibung der Deutschen durch Überfremdung des noch verbleibenden Bodens eingeläutet“.
Seite an Seite mit Kopp, Staffa und Übelacker kämpfen viele Rechtsextreme für die sudetendeutsche Sache. Ralf Kosiek beispielsweise, der Vorsitzende der „Gesellschaft für Freie Publizistik“, oder der NPD-Bundespressesprecher Karl-Heinz Sendbühler. Auch Friedrich Köberlein, Vorsitzender des rassistischen „Schutzbundes für das deutsche Volk“, oder Martin Pabst, Chef des „Hilfskomitees Südliches Afrika“, wirken im Witiko-Bund mit. Wolfgang Strauß, Redaktionsmitglied von Nation und Europa, des wohl bedeutendsten rechtsextremen deutschen Strategieorgans, durfte beim diesjährigen Witikonen-Jahrestreffen im sächsischen Bad Elster die Festrede halten.
Wie hoch muß der Anteil rechtsextremer und antisemitischer Programmatik und Propaganda im Witiko-Brief sein, daß auch die Bundesregierung „eindeutige“ Anhaltspunkte für eine rechtsextreme Ausrichtung feststellen kann? fragte die PDS-Bundestagsabgeordnete Ulla Jellpke an und brachte die insgesamt knapp 1,5 Millionen Mark Förderung der SL durch die Bundesregierung ins Spiel, an der die Witikonen auch ihren Anteil haben. Im Bundesinnenministerium besitzt man jedoch, so die Antwort, noch keine eindeutigen Erkenntnisse über das Vorliegen verfassungsfeindlicher Tendenzen beim Witiko-Bund. Ob sich solche Erkenntnisse verdichten, werde „laufend geprüft.“
SL-Pressesprecher Badenheuer bezeichnet den Einfluß des Witiko-Bundes als „relativ klein“. Doch viele Witikonen bekleiden führende Positionen innerhalb des SL-Bundesvorstands. So ist es kein Wunder, daß die SL immer wieder eigens mit Verhandlungsdelegationen des Witiko- Bundes den heimatpolitischen Mindestkonsens abklärt. „Wir suchen den kleinsten gemeinsamen Nenner zwischen den Gesinnungsgemeinschaften“, betont Badenheuer. Die vom Witiko-Bund vehement erhobene Forderung nach Entschädigung oder „Rückgabe des konfiszierten Eigentums“, die bislang jeder deutsch-tschechischen Annäherung im Wege stand, gehört zu diesem Nenner dazu. Staffa zeigt keinerlei Kompromißbereitschaft: „Eigentum ist die wichtigste Grundlage des friedlichen Miteinander.“
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