Hoffnung für Asbest-Opfer

■ Gespräch über skandalöse Entschädigungspraxis von Asbestose-Kranken

„Mit der werd– ich noch reden! Fraktur reden! Die hat ja keine Ahnung“, kündigte der Geschäftsführer der Norddeutschen Metall-Berufsgenossenschaft, Wito Hadré, noch im taz-Spezial „Asbest – die geleimten Opfer“ an. Die Rede war von der grünen Gesundheitsexpertin Christine Bernbacher, die sich wegen der skandalös seltenen Entschädigungen von asbestkranken ArbeiterInnen schon lange für die Opfer starkmacht.

Hadré sind die starken Worte im Hals steckengeblieben. Gestern hat dieses Gespräch zwischen Bernbacher und Hadré stattgefunden – doch statt wie angekündigt Tacheles zu reden, wies Bernbacher der Berufsgenossenschaft Fall für Fall nach, daß Gutachten so lange wiederholt wurden, bis sie so ausfielen, daß keine Entschädigung bezahlt werden mußte, daß Röntgenbilder verschwanden und Beweismittel nicht aufgenommen wurden.

„Das Gespräch verlief sehr sachlich“, sagte Bernbacher hinterher: „Man hat gemerkt, daß sie nun wissen, daß man sie kontrolliert.“ Die Prüfung einzelner Fälle soll versprochen worden sein – „aber“, so Bernbacher, „ich lasse mich nicht mehr damit abspeisen, daß all diese Fälle Ausrutscher sind – dazu sind es zu viele.“

Seit zwei Wochen rumort es in der Norddeutschen Metallberufsgenossenschaft heftig: In einem Bericht des Fernsehmagazins „Monitor“ über den Vulkan-Schweißer Heiko Radloff, der seit Jahren Asbestose hat und um eine Entschädigung kämpft (die taz berichtete), vermittelte eben jener Wito Hadré den Eindruck, der Mann simuliere und sei nicht ernstzunehmen. Diese Ausrede ist nicht neu: Gemeinsam mit Radloff demonstrierten gestern eine Handvoll Mitglieder des Arbeitskreises „Kaputtmalocht – was dann?“ vor der BG-Geschäftsstelle. Darunter Fritz Iwohn, ehemals in der Werft und bei Klöckner beschäftigt. Iwohn, dessen Asbestose zwar als Berufskrankheit anerkannt ist, dessen prozentual gemessene Erwerbsminderung allerdings ganz knapp unter dem für eine Entschädigung vorgesehenen Wert liegt, wird seit Jahren von Arzt zu Arzt geschickt – in den letzten zwei Jahren ist er allein 12 mal geröntgt worden. Er gab keine Ruhe – und handelte sich eine Vorladung zur Erstellung eines psychiatrischen Gutachtens ein. Auslöser: Ein von dem Hobbykalligraphen angefertigtes Faltblatt „Urkunde über Asbestose“, das der Berufsgenossenschaft in die Hände gefallen war.

„Man muß jedem Fall aktiv nachgehen, sonst passiert nichts“, so Christine Bernbacher. In dem Gespräch hätten die Geschäftsführer der BG zwar die Vorwürfe von Gefälligkeitsgutachten und Verschleppungen weit von sich geweisen, aber sie präsentierte einen Fall, der nur auf Drängen der Schwerbehindertenvertretung der Stahlwerke Bremen zugunsten des Opfers entschieden wurde. Das erlebte die Nachzahlung von 80.000 Mark nicht mehr.

Eine Gesetzesänderung, die vor allem die Beweislast umkehren will, werden die Grünen in den Bundestag einbringen. Und in Bremen wollen Bernbacher und die Metallberufsgenossenschaft strittige Fälle in Zukunft über den kurzen Weg klären. Bernbacher: „Das könnte ein kleiner Schritt in die richtige Richtung sein.“ skai