Barschel aus dem Schneider

■ Ovationen nach Abschlußdebatte zur Schubladenaffäre

Kiel (taz) – Es war ein bitterer Tag für die SPD. CDU und FDP nutzten die gestrige Abschlußdebatte des Kieler Landtages zur Schubladenaffäre für eine Generalabrechnung mit denjenigen SPD-Mitgliedern, die über Jahre nur den moralischen Zeigefinger hoben und „Barschel“ riefen, wenn die Opposition aufmuckte. Fast schon peinlich wirkte es deshalb, als bis auf vier CDU-Abgeordnete alle Christdemokraten und Liberalen im Parlament nach der Rede des Ausschußvorsitzenden Heinz-Werner Arens ihn mit stehenden Ovationen ehrten. Die meisten Genossen hingegen zollten dem eigenen Mann nur sehr verhalten Respekt.

Mehr als acht Jahre nach dem Beginn der Barschel-Affäre im Herbst 1987 zog der Landtag mit dieser Debatte einen Schlußstrich unter die Vorgänge, die zwei Ministerpräsidenten und einen Landesminister das Amt gekostet haben. Die Mehrheit der Ausschußmitglieder war zu dem Ergebnis gekommen, daß Barschel eine Urheberschaft der kriminellen Machenschaften aus seiner Staatskanzlei nicht zu beweisen sei. Kein Zweifel jedoch bestehe an seiner politischen Verantwortung sowie an Lügen Barschels bei seiner Verteidigung. Die Mehrheit des Ausschusses hält es für möglich, daß Björn Engholm noch weit früher als bisher angegeben von den Machenschaften Pfeiffers gewußt hat.

Zweifel gibt es auch an der Version von Jansen, er habe dem ehemaligen Barschel-Referenten das Geld aus sozialen Motiven gezahlt. Einen inneren Zusammenhang zwischen der Forderung von Pfeiffer an Engholm im Mai 1988 und den Geldzahlungen 1988 und 1989 stellte die Ausschußmehrheit ebenso fest wie das Vorhandensein eines Druckpotentials von Reiner Pfeiffer gegenüber den Sozialdemokraten.

Vor allem für die SPD-Fraktion geriet das Ergebnis zu einer Zerreißprobe. Die Fragen, wie Engholms Verhalten zu werten ist und ob Jansen wirklich aus Mitleid Geld in der Schublade sammelte, spaltet die Genossen. Ein Teil der Sozialdemokraten stellte sich hinter die Betroffenen Jansen, Engholm und den früheren SPD-Sprecher und Geldboten, Klaus Nilius. Sie bewerteten die Feststellungen des Ausschusses als falsch und geschichtsverfälschend. Die Aufklärer um Arens wiesen dies zurück: Die Betroffenen seien offensichtlich auf dem Wissensstand 1987 sitzengeblieben, konterte Arens. Die SPD-Obfrau Claudia Preuß- Boehart tröstete sie: Im Dilemma zwischen Wahrheit und Glauben müsse man sich immer für die Wahrheit entscheiden. Kersten Kampe