Die Dinge, das Land und die Ordnung

■ Ob Rolf Hochhuth das BE kaufen darf und kann ist noch immer ungeklärt

Zum Jahresende neigt man dazu, die Dinge zu ordnen. Man putzt die Fenster, treibt überfällige Honorare ein und bemüht sich auch sonst um eine ausgeglichene Bilanz. In der allgemeinen Abschlußstimmung passiert es mitunter allerdings, daß ein Verfahren kurzerhand für abgeschlossen erklärt wird, das eigentlich noch ziemlich offen ist.

In seiner gestrigen Ausgabe veröffentlichte der Tagesspiegel einen Artikel mit der Unterzeile: „Rolf Hochhuths Stiftung Besitzer des Berliner Ensembles“. Hochhuth hätte einen „klaren Punktsieg errungen“, heißt es da, das Landesamt für offene Vermögensfragen hätte die Rückgabeansprüche zweier Erben der früheren Eigentümer des Grundstücks und Hauptgebäudes am Schiffbauerdamm in einem Vorbescheid anerkannt. Amtlich solle es indes erst 1996 werden, damit die BE-Mitglieder Kündigungsschutz bis Ende 97 haben, denn so lange gilt der Vertrag mit dem derzeitigen Geschäftsführer Peter Sauerbaum.

Und weiter: „Da beide Antragsteller, Klaus Wertheim und Familie Saloschin, ihre Ansprüche an die nach der Mutter von Rolf Hochhuth benannte Ilse-Holzapfel-Stiftung abgetreten haben, scheint der Weg ans BE für Rolf Hochhuth nun doch frei geworden“, zumal die Stiftung den Kaufpreis von 4,5 Millionen Mark nach Hochhuths Angaben aufbringe.

Wirklich? Weder der zuständige Referatsleiter im Kultursenat, Richard Dahlheim, noch Peter Sauerbaum wissen von einem Vorbescheid vom Landesamt für offene Vermögensfragen. Zweitens hat der Kultursenat weiterhin „rechtlich schwere Bedenken“ gegen Hochhuths in Stuttgart eingetragene Stiftung. Das BE hat sich in dieser Sache an das Regierungspräsidium Stuttgart gewendet, doch die Untersuchung ist noch nicht abgeschlossen. Drittens sei Hochhuth, so Dahlheim, im Gespräch mit Kultursenator Roloff- Momin am 13. Dezember „außerstande gewesen zu erklären, wer wieviel Geld an wen bezahlt hat“.

So weit, so klar die ungeklärten Verhältnisse. Außerdem: Falls tatsächlich irgendwann feststeht, daß die Erben Wertheim/Saloschin das Berliner Ensemble kaufen dürfen und falls der Dramatiker Rolf H. tatsächlich Kopf einer legitimen Stiftung ist, die berechtigt und in der Lage ist, das BE zu kaufen, dann hat das Land Berlin immer noch ein Vorkaufsrecht. Das als Arbeitsstätte von Bertolt Brecht und Helene Weigel unter Denkmalschutz stehende Haus muß keineswegs Privateigentum werden.

Natürlich drängt sich die Frage auf, ob das über beide Fernsehtürme verschuldete Berlin das Geld aufbringen könnte. Doch der politische Wille, ein Traditionshaus zu erhalten, sei unbedingt vorhanden, sagt Dahlheim. Und Sauerbaum hofft natürlich das gleiche. Derzeit verhandelt er auch über eine Verlängerung seines Vertrages über den 31. 12. 1997 hinaus. Er braucht Planungssicherheit für die Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag von Brecht im Jahr 1998.

Wie lange Heiner Müller als künstlerischer Leiter des BE zur Verfügung stehen wird, hängt sicher von seiner Gesundheit ab. Pläne hat er in jedem Fall: Letzte Woche unterhielt er sich mit Rolf Hochhuth – nicht über die Immobilie, sondern „von Autor zu Autor“ (Sauerbaum). Bei dieser Gelegenheit wurde auch über die Möglichkeit gesprochen, zum Brechtgeburtstag ein eigens angefertigtes Hochhuth-Stück aufzuführen. Das ist ein kluger Schachzug, ein echter Müller sozusagen. Hochhuth, für die nächsten beiden Jahre recherchierend und schreibend an seinem Schreibtisch sichergestellt. Sein Kampf um das BE könnte ja als Referenz in einer Fußnote untergebracht werden. Auch so fände alles einen Platz und seine Ordnung. Petra Kohse