Staatsempfänge machen Eiche morsch

■ Mehrere Kriege hat die Eichengalerie im Schloß Charlottenburg unzerstört überstanden. Staatsempfänge und Festessen jedoch ruinieren den kostbaren Saal. Hausherr Winfried Baer will den Lustbarkeiten dort

Man nennt sie auch die „gute Stube“ von Berlin: die Eichengalerie im Schloß Charlottenburg. Wann immer der Berliner Senat Gäste hatte, bewirtete er sie in dem holzvertäfelten barocken Saal im Erdgeschoß des Eosanderbaus. Seit einem Jahr wird die Eichengalerie aufwendig restauriert. Danach muß es ein Ende haben mit den offiziellen Feiern, fordert Winfried Baer, der Direktor des Charlottenburger Schlosses.

taz: Was ist so besonders an der Eichengalerie?

Winfried Baer: Die Eichengalerie ist einer der wenigen historischen Räume im Schloß Charlottenburg, die den Krieg relativ glimpflich überstanden haben. Dort ist noch sehr viel Originalsubstanz erhalten.

Wie groß sind die Schäden, die Sie bei der Restaurierung der Eichengalerie festgestellt haben?

Die Galerie ist unglaublich verschmutzt. Schon in den fünfziger Jahren fanden dort Feste statt, manchmal zwei an einem Tag. Bis heute hat es in der Eichengalerie rund 2.000 Veranstaltungen gegeben. Das ist für den Raum natürlich eine furchtbare Strapaze. Eiche ist relativ robust, aber durch die starken Schwankungen des Raumklimas, die solche Festivitäten mit sich bringen, ergeben sich auf Dauer erhebliche Schäden. Das Holz arbeitet, wird porös, reißt. Die Farben verblassen. Da kommt viel zusammen.

Hat man das alles erst kürzlich bemerkt?

In den letzten Jahren hat sich im Bereich der Restaurierung viel entwickelt. Man denkt heute anders über den Stellenwert von originaler Substanz. Festveranstaltungen im historischen Rahmen sind ein Problem, das viele Schlösser in aller Welt haben.

Wie teuer ist die Restaurierung der Eichengalerie?

Wir haben bis jetzt etwa 700.000 Mark investiert. Bis die Galerie fertig ist – das wird in einem Jahr sein –, werden wir sicher noch einmal dieselbe Summe aufbringen müssen.

Seit wann sind die Schäden in der Eichengalerie bekannt?

Wir wußten schon länger davon. Doch jetzt haben wir eine Chance, wirklich etwas zu ändern. Wir feiern demnächst das 300jährige Jubiläum von Schloß Charlottenburg. Die finanziellen Mittel sind derzeit so knapp, daß wir uns keine teure große Ausstellung leisten können. Mit der Restaurierung werden wir versuchen, statt dessen etwas Dauerhaftes für das Haus zu machen.

Wie können Sie verhindern, daß in der Eichengalerie auch in Zukunft Festessen stattfinden?

Indem wir ein gutes Alternativangebot machen. Wir wollen, daß der Senat seine Veranstaltungen in die Große Orangerie verlegt. Die bietet einerseits mehr Möglichkeiten als die Eichengalerie, weil man unterschiedlich große Räume zur Verfügung hat. Andererseits wäre das auch wesentlich billiger, weil man bei Festen in der Eichengalerie Wachpersonal in den historischen Räumen braucht. Wir sind auch gern bereit, die Orangerie stärker mit historischen Rekonstruktionen auszustatten und ihr so einen festlicheren Charakter zu geben.

Die Senatskanzlei hat angekündigt, daß sie auch künftig nicht auf die Eichengalerie als Veranstaltungsort verzichten will.

Das Problem ist, daß die Eichengalerie lange eine feste Adresse war. Da hatte jeder mal gegessen. Wenn wir jetzt wieder damit anfangen, geht das von vorn los. Da muß man einmal konsequent sein. Was auch ganz wichtig ist: Dadurch, daß die Eichengalerie immer so stark genutzt wurde, haben wir sie nie richtig hergerichtet. Das heißt, das Publikum hat immer einen leergeräumten Raum gesehen. Jetzt wollen wir die Bilder, die früher dort hingen, wieder zeigen, damit die Besucher mehr von einer Besichtigung haben.

Wer entscheidet, ob weiterhin Veranstaltungen in der Eichengalerie stattfinden werden? Sie?

Nein. Die letzte Instanz ist der Stiftungsrat der Berlin-Brandenburgischen Schlösser und Gärten in Potsdam. Darin sind Professor Giersberg von den Potsdamer Schlössern, der Berliner Senat, das Land Brandenburg und der Bund vertreten.

Giersberg hat in Potsdam doch ganz ähnliche Probleme wie Sie.

Das kann man wohl sagen. In Potsdam gibt es noch sehr viel mehr originale Substanz als bei uns in Charlottenburg. Wenn Veranstaltungen im Neuen Palais laufen, dann kann man eigentlich nur noch schreien.

Was halten Sie generell davon, daß Volksvertreter ihre Feste im feudalen Rahmen feiern?

Ich bin grundsätzlich der Meinung, alle sind Publikum. Auch ein Minister, oder ein Staatspräsident oder ein König ist für mich letztlich Publikum wie jeder, der hierherkommt und dafür zahlt, das Schloß zu sehen. Natürlich fände ich es viel schöner, wenn man sich endlich dazu bereit finden könnte, im Stil unserer heutigen Zeit ein Ensemble zu schaffen, in dem dann Einladungen stattfinden könnten, eine Tafeldekoration mit modernen Mitteln. Aber gerade daran krankt ja das heutige Design: Es wird unseren Ansprüchen nicht gerecht. In die Vergangenheit flüchten, das halte ich nicht für gut. Interview: Ulrich Clewing