Technisches Versagen, nicht Fehlbedienung

■ TÜV Berlin gegen TÜV Bayern bei der Analyse des Gondel-Unglücks

Falsche Berechnungen und ein mangelhaftes Sicherheitskonzept sind die Ursachen des Friedrichshainer Gondel-Unglücks. Knapp vier Wochen nach dem Absturz des mit 100 Personen besetzten Fahrgeschäftes liegt jetzt das Gutachten des TÜV Berlin-Brandenburg vor, das der Analyse des für die Abnahme der Gondel zuständigen TÜV Bayern in weiten Teilen widerspricht. „Wenn ein Bauteil ausfällt“, sagt Bernd Kacher, Berliner TÜV-Sachverständiger für fliegende Bauten und Autor des 39seitigen Berichtes, „dann darf es nicht zu einer gefährlichen Situation kommen.“

Ganz offensichtlich haben Konstrukteur und der abnehmende TüV Bayern die Leistung der Getriebe falsch berechnet und keine ausreichenden Vorkehrungen für einen Schadensfall getroffen. Am 26. November brach deshalb eines der beiden überlasteten Getriebe. Die Gondel blieb in 70 Meter Höhe stehen, beim handgesteuerten Herunterlassen war die Bremse überfordert, und schließlich reichten die vier Kunststoffpuffer als Aufprallschutz nicht aus.

Laut TÜV Berlin soll die Supergondel mindestens in vier Bereichen technisch nachgerüstet werden, ehe sie sich wieder auf bundesdeutschen Jahrmärkten blicken lassen kann: Stärkere Getriebe, ein wirksameres Bremssystem und zwölf Puffer müssen als Aufprallschutz eingebaut werden. Der Bedienungshebel soll nur Auf- und Abfahrten erlauben und Umschalten auf Handsteuerung damit ausgeschlossen werden.

„Das Gutachten ist der Dreh- und Angelpunkt in der Frage, ob hier Schicksal oder fahrlässiges Verhalten vorliegt“, sagt der Ermittlungsleiter im Landeskriminalamt, Michael Rehder. Er wird heute der Staatsanwaltschaft einen Zwischenbericht von 300 Seiten übergeben. Menschliches Versagen als Unglücksursache schließt der Kommissar aus.

Ganz anders der TÜV Bayern, dessen „Prüfamt für Baustatik fliegender Bauten“ das Gerät gleich zweimal abgesegnet hat: einmal beim Hersteller in den Niederlanden, dann beim Aufstellen in Berlin. Nach wie vor hält man an der ursprünglichen Version fest: Technisches Versagen wird ausgeschlossen. Vielmehr sei fehlerhafte Bedienung die Ursache des Unglücks. Wenn der Betreiber auf Langsamfahrt gestellt hätte, „dann wäre es nicht zu dem Aufprall gekommen“, sagt der Sprecher des TÜV Bayern, Ulrich Kirsch. Nur: Der Betreiber hat sich vor dem Umschalten auf Handsteuerung telefonisch eine halbe Stunde lang mit den Konstrukteuren der Steuerung in Nürnberg beraten.

Die Supergondel in Friedrichshain wird zur Zeit abgebaut. Eine Rückkehr wird es voraussichtlich nicht geben. „Nächstes Jahr wollen wir“, sagt Bauamtsleiter Hans Winter, der für die Gebrauchsabnahme der Gondel verantwortlich war, „ein besinnliches Fest ohne Sensationsfahrgeschäfte.“ Christoph Oellers