Irland trauert

■ Nationaltrainer Charlton, Denkmal des irischen Fußballs, ist gefeuert und wird Wirt

Dublin (taz) – Zwei Engländer waren vorgestern Schuld am Verkehrschaos auf Dublins Straßen. Der eine, Premierminister John Major, war aus London herübergekommen, um zu Weihnachten seinen guten Willen in Sachen Frieden für Nordirland zu demonstrieren. Der andere brauchte keine Polizeieskorte: Jack Charlton, Trainer der irischen Fußball-Nationalmannschaft, war vom Verband herbeizitiert worden, um ihn zum Rücktritt zu bewegen. Nach dem Termin kehrte der dienstälteste Trainer Europas in seine Lieblingskneipe „Hill 16“ ein.

„Leute, ich bin arbeitslos“, sagte er zur Begrüßung. Woraufhin einer der Trinker sein Glas hob und antwortete: „Bin ich schon seit fünf Jahren. Was trinkst du, Kumpel?“ Auf der Weiterfahrt zu seiner eigenen Kneipe, dem „Baggot Inn“, erkannte man ihn, Dutzende Autos fuhren hupend hinter ihm her. Die Nachricht hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet. Premierminister John Bruton sagte, Charlton habe mehr für die anglo-irischen Beziehungen getan, als sonst irgend jemand. Denn in Charltons Ära verließ der irische Fußball sein Schattendasein. Alle großen Mannschaften wurden besiegt, in 93 Spielen gab es nur 17 Niederlagen. Unter denen waren leider auch die letzten vier Begegnungen, durch die Irland sich die Teilnahme an den Europameisterschaften vermasselte. Die Nation trauert nach dem Rücktritt des 60jährigen Ehren-Iren, viele weinen, doch die meisten sind wütend auf die Verbandsfunktionäre. Charlton wird Irland freilich erhalten bleiben: Neben der Kneipe besitzt er eine Anglerhütte an der Westküste. Wo sein Denkmal errichtet wird, steht noch nicht fest. Ralf Sotscheck