Die virtuelle Ordnung der Stadt

■ In den Computercollagen und Bilderfluchten von Annette Weintraub wird das Internet selbst zum Kunstwerk

Das Internet ist ein Museum und eine Galerie. Nur in wenigen Fällen ist es bisher selbst zum Kunstwerk geworden. Die New Yorkerin Annette Weintraub ist seit mehreren Jahren dabei, die virtuellen Computerwelten über die bloße Selbstdarstellung der Technik hinaus zu erkunden.

Ihr Thema ist die Ordnung der Stadt. Sie ist zerbrochen. In New York, meint Annette Weintraub, war sie schon immer eine Fiktion, eine virtuelle Konstruktion von sozialen wie auch architektonischen Perspektiven. Sie halten der Wirklichkeit nicht stand. „Revolution“ nennt Weintraub deshalb ihre elektronische Collage nicht ohne Ironie. Was wie ein Rückgriff auf Klischees des Surrealismus aussieht, ist der Eingang zu neuen Computerwelten. Sie scheinen Annette Weintraub realistischer zu sein, selbst noch als die Fotografien, die sie in ihren Collagen nur räumlich zersplittert hat.

Doch diese Revolution der Bildfragmente ist nur ein Vorspiel für das Werk „Realms“, das in einem gedruckten Medium nicht mehr darstellbar ist. Es kann betrachtet werden unter „http:// artnetweb.com/artnetweb/projects /realms/“. Die Ordnung der Stadt löst sich in eine Folge von Web- Seiten auf, die alle mit dem Mittel des Hyperlinks aufeinander verweisen. Am Anfang steht ein nächtliche Straßenkreuzung mit Lichtreklamen, dunklen Ecken und ohne Gesicht. Wir können sie mit verwandeln und etwa die Vogelperspektive auf das Muster der Straßen und Dächer wählen. Es wird Tag, das Computerprogramm startet eine Sequenz von Farbstimmungen. Wir können in den Untergrund steigen, in die U-Bahnhöfe, die heller sind als die Straße, oder wir können ganze Fluchten kahler, einsamer Räume durchwandern. Zurückgekehrt ans Tageslicht, können wir auch Menschengruppen näher betrachten, die damit in unerreichbare Fernen rücken. Ihr Bild stellt nichts mehr dar, es ist nur ein flüchtiger Hinweis auf eine weitere Konstruktion im Cyberspace. nh