Serbiens Nachbarn versprechen Hilfe

■ Bulgarien, Rumänien und Ungarn haben während des Embargos gegen das ehemalige Jugoslawien wirtschaftliche Verluste hingenommen. Jetzt wollen sie beim Wiederaufbau des Landes als erste dabei sein

Bukarest (taz) – Rumäniens Ministerpräsident Nicolae Vacaroiu konnte den Fall des Embargos gegen den serbischen Nachbarn kaum erwarten. Ende November, nur wenige Tage nach der Aufhebung der Sanktionen, kam er nach Belgrad zu einer „keineswegs zufälligen“ Visite, wie er sagte. Rumänien habe in der schweren Zeit des Embargos immer an der Seite des jugoslawischen Volkes gestanden, bekam Slobodan Milošević zu hören, der seinerseits Rumänien als „unseren nächsten Verwandten“ hervorhob. Vacaroiu kündigte den Abschluß des praktisch seit anderthalb Jahren unterschriftsreifen Grundlagenvertrages mit Serbien und ein Treffen zwischen Milošević und dem rumänischen Staatspräsidenten Ion Iliescu an.

Die schnelle Hilfe soll sich lohnen. „Die Länder, die durch das Embargo die größten Schäden erlitten haben, müssen beim Wiederaufbau im exjugoslawischen Raum in erster Reihe stehen“, sagte Vacaroiu. Dasselbe nehmen aber auch Ungarn und Bulgarien für sich in Anspruch. Alle drei Nachbarländer Serbiens haben durch das Uno-Embargo gegen Restjugoslawien wirtschaftliche Verluste in Höhe von jeweils mehreren Milliarden Dollar erlitten.

Rumänien, das Handelseinbußen in Höhe von acht Milliarden Dollar reklamiert, hat sich am intensivsten um den Ausbau der Beziehungen mit Serbien bemüht. Unterschrieben wurden während des Besuches von Vacaroiu eine Reihe von Wirtschaftsabkommen, die bereits seit September vorbereitet worden waren. Rumänien will in den nächsten Monaten „zehntausende Tonnen Benzin und Heizöl nach Serbien liefern. Der Handel zwischen beiden Ländern soll auf ein Volumen von 1,5 Milliarden Dollar anwachsen.

Während des Besuches von Vacaroiu eröffnete Rumänien außerdem eine diplomatische Vertretung in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo, die rumänischen Firmen helfen soll, sich am Wiederaufbau Bosniens zu beteiligen. In der letzten Woche schließlich stimmte Rumänien zu, im Rahmen der bosnischen Nato-Friedenstruppe eine technisch-logistische Einheit zu entsenden.

Zwar ist auch Ungarn, das seine Sanktionsverluste auf zwei Milliarden Dollar beziffert, an einer schnellen Wiederaufnahme der Wirtschaftsbeziehungen mit Serbien interessiert, sieht in dem Land aber, anders als Rumänien, keinen vorrangigen Handelspartner. In der letzten Woche beschlossen die beiden Länder, kurzfristig die Verkehrs- und Telekommunikationsinfrastruktur auszubauen. Ungarn konzentriert sich demgegenüber auf den Schutz der rund 500.000 Ungarn, die in der serbischen Wojwodina leben. Ihre Vertreter sehen hinter dem Zuzug und der Ansiedlung von serbischen Flüchtlingen aus Bosnien eine neue Belgrader Strategie der ethnischen Säuberungen. Um über eine Autonomie für die Wojwodina-Ungarn zu verhandeln, reiste Ende letzter Woche der ungarische Staatspräsident Arpad Göncz inoffiziell nach Belgrad. Zwar dankten ihm Belgrader Regierungspolitiker dafür, daß Ungarn während der Embargozeit keine zusätzlichen Belastungen wie einen Visumzwang eingeführt habe. Doch eine Autonomie-Regelung für die Wojwodina-Ungarn will Serbien zur Zeit nicht in Aussicht stellen.

Wirtschaftlich verspricht sich Ungarn vor allem viel vom Wiederaufbau in Kroatien und Bosnien. Schon Ende Oktober hatte Ministerpräsident Gyula Horn angeboten, daß Ungarn mit einer Milliarde Dollar helfen könnte. Ungarn unterstützt militärisch und wirtschaftlich außerdem die bosnische Nato-Friedenstruppe. Im Südwesten hat es amerikanischen Nato-Soldaten eine Militärbasis zur Verfügung gestellt.

Zurückhaltender gegenüber Serbien hat sich bisher Bulgarien gezeigt, das Embargoschäden in Höhe von zwei Milliarden Dollar angibt. Anfang letzter Woche reiste eine Wirtschaftsdelegation mit Handelsminister Kiril Tsochev an der Spitze nach Belgrad und unterzeichnete ein Abkommen über die Wiederaufnahme von Handels- und Wirtschaftsbeziehungen. Ebenfalls in der letzten Woche eröffnete Bulgarien eine diplomatische Vertretung in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo. An der bosnischen Nato-Friedenstruppe wird sich Bulgarien jedoch voraussichtlich nicht beteiligen, da es auch als einziges osteuropäisches Land bisher keinen Beitritt zur Nato wünscht. Keno Verseck