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Besonders aktiv ist der A-Virus

Immer wieder haben Grippeviren kaum zu begrenzende Epidemien ausgelöst. Im Jahre 1919 starben 20 Millionen Menschen an der Krankheit. Welche Gegenmittel können helfen?  ■ Von Reiner Metzger

Berlin (taz) – Von Osteuropa kommend, füllt ein neuer Grippeviren-Stamm die Betten der Kinderzimmer und Kliniken mit fiebernden Menschen. Für Karikaturisten eine einfache Zeit – eine dicke rote Nase gezeichnet, und alle grinsen: „Guck mal, wie Onkel Karl an Weihnachten.“

Doch einige Grippeviren sind richtig gefährlich. Der moderne Mensch reist in der ganzen Welt herum, und die Influenza, wie Lateiner die Grippe nennen, reist mit. Seit Anfang des Jahrhunderts lösen die Viren nicht nur lokal begrenzte Epidemien aus. Sie befallen verschiedene Regionen, Mediziner sprechen von einer Pandemie. Je nach dem Ursprungsort wird die Krankheitswelle zum Beispiel Ukraine-Grippe getauft.

Die bisher schlimmste Grippewelle war im Winter 1918/19. Nach den Wirren des Ersten Weltkriegs erkrankte jeder zweite Mensch auf der Erde an der Spanischen Grippe, mehr als 20 Millionen sind nach Schätzungen damals an den Folgen der Krankheit gestorben. 1957 kostete die Asiatische Influenza 10.000 allein in der Bundesrepublik das Leben. Die letzte große Pandemie löste 1968/69 die Hongkong-Grippe aus. An ihr sollen 20.000 zugrunde gegangen sein, andere Quellen sprechen sogar von 40.000 Opfern.

Dabei ist nicht unbedingt das Virus selbst der Killer, sondern meist die Bakterien. Sie überwinden das schon geschwächte Immunsystem. Ansonsten eher harmlose Krankheiten wie Bronchitis werden plötzlich gefährlich, weil der Körper gleichzeitig mit den Viren kämpft. Lungenentzündung kann so innerhalb von nur zwei Tagen zum Tod führen.

Grippeviren teilen sich in die Typen A, B und C. Typ C ist ein eher biederer Geselle. Er verändert sich kaum, und wer ihn einmal hatte, ist für einige Zeit leicht verschnupft, ansonsten aber für den Rest seines Lebens gegen C immun. Schlimmere Burschen sind B und A. Vor allem A ändert ständig die Kombination seiner Gene und bringt so immer neue Stämme von sich selbst hervor. Alle paar Dutzend Jahre ist eine dieser Variationen besonders ansteckungs- und fortpflanzungsfreudig, eine neue überregionale Seuche bricht los. Das Hongkongvirus zum Beispiel kam aus der Familie A-2, und auch die derzeitige Welle aus Osteuropa ist vom gleichen Typ. Das Immunsystem erkennt die immer neuen A-Viren nicht, es muß für jede Unterart neu reagieren, das heißt, daß sich das Virus jedesmal im Körper vermehrt, bis genug Antikörper produziert werden und die körpereigene Krankheitsabwehr die Oberhand gewinnt.

Gegen Viren hilft nur Impfen. Mit abgetöteten oder lebenden Erregern im Blut wird das Immunsystem alarmiert und erkennt so spätere Viren der gleichen Art sofort als böse. Doch hilft eine Impfung nur für eine Saison, weil sich die Influenza-Erreger im nächsten Winter schon wieder mit einer anderen Zusammensetzung tarnen. Sogenannte Breitbandwirkstoffe, wie Antibiotika gegen Bakterien, gibt es nicht gegen Viren.

Also stehen in den letzten Tagen die Telefone bei vielen Medizinern nicht mehr still – plötzlich wollen sich alle impfen lassen. Viele verlieren ihre Angst vor der Nadel, wenn sich die Liebste in ein schniefendes Triefauge verwandelt. Allerdings ist es dann für einen wirksamen Schutz schon zu spät, weil mensch den Virus längst intus hat. Ärzte raten deshalb zu einer Impfung schon im Oktober. 60 bis 80 Prozent der Gepieksten bleiben dann wirklich vom Fieber verschont.

Doch keine Panik: Schnupfen heißt noch lange nicht Grippe, und Grippe ist meist auch kein Killervirus. Wer jedoch richtig dick Fieber hat, dem rät selbst die Gesellschaft für Alternative Medizin in Seelze zu Antibiotika: „Verschleppen könnte auf die Organe schlagen“, so ein Mediziner des Verbandes. Bei simplem Schnupfen rät er: „Trinken, trinken, trinken – soviel wie reingeht. Und zwar einfaches Wasser zum Entgiften.“

Hausmittel wie heiße Milch und Kamillentee zum Inhalieren sollen vor allem ins Schwitzen bringen. Denn die meisten Bakterien überleben Temperaturen über 38 Grad Celsius nicht. Mit heißen Dämpfen kann also den Atemwegen geholfen werden, ebenso wie mit Schwitzkuren. „Aber wer schwitzt, muß sich auch ins Bett legen“, so die Alternativ-Mediziner. Symptombehandlungen wie Schmerzmittel und andere Pillen, bei denen laut Beipackzettel Ärzte und Apotheker befragt werden sollen, empfehlen die Seelzer „nur, wenn man unbedingt arbeiten muß“. Der Autor empfiehlt die irische Methode: eine halbe Flasche Whisky, in schweren Fällen angewärmt, im Bett langsam austrinken und dann gesund erwachen.

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