Langer Atem nötig

■ Durchblick erst ab Folge 2: Dieter Wedels ZDF-Fünfteiler "Der Schattenmann" kommt leider nur langsam in Fahrt

Eigentlich ist die große Zeit der TV-Mehrteiler wohl vorüber. Anders als früher locken mittlerweile jeden Abend über dreißig Kanäle mit ihren täglich wechselnden Programmen – wer mag da schon an vier oder fünf aufeinanderfolgenden Tagen den gleichen Sender einschalten?

Es braucht also schon ein gerüttelt Maß an Aufmerksamkeit, um uns tatsächlich zum Durchhalten zu bewegen. Oder zumindest eine Story, die sich schon in den ersten Minuten als so einleuchtend erweist, daß wir beurteilen können: Hier lohnt der lange Atem. Dieter Wedels „Bellheim“ (1993) war so ein Plot: Alter Kaufhausimpressario unterbricht sein Rentnerdasein, um sein dahinsiechendes Imperium zu retten. Da wußte man, wie die Geschichte ausgehen sollte – und wollte doch dabei zusehen, wie er das bewerkstelligen würde.

Nun hat Dieter Wedel nach zwei Jahren Bildschirmabstinenz erneut einen Mehrteiler vorgelegt. Wieder mit Mario Adorf in einer tragenden Rolle und diesmal sogar über mehr als eine Woche und immerhin fünf Teile gestreckt. Allerdings ist das Thema des „Schattenmanns“ auf den ersten Blick weniger eingängig als weiland Wedels „Bellheim“. Es liegt in der Natur des Stoffes, daß die Undercover- Story um den verdeckten Ermittler Charly Held mehr als 90 Minuten braucht, um in Fahrt zu kommen. Zu viele wahre und falsche Identitäten müssen eingeführt werden, bevor wir uns nur annähernd im verzweigten Geflecht der organisierten Krminalität zurechtfinden.

Im Zentrum der Handlung steht der janusköpfige Imobilienhai Herzog, der sich von seiner Vergangenheit als Rotlichtkönig befreien will – aber von den brutalen Methoden dieser Zunft nicht so recht loskommt. Aber auch der in sein engstes Umfeld eingeschleuste Polizeiermittler Held hat seine Mühe, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Peu à peu – das war zu erwarten – läßt sich Held von Macht, Geld und Einfluß seines neuen Tätigkeitsfeldes beeindrucken und droht schließlich selbst ein Teil jenes Systems zu werden, das er doch bekämpfen wollte.

Viele Nebenschauplätze, die das Doppelleben des Geheimagenten bebildern sollen, verkomplizieren den Erzählstrang zudem derart, daß ein Überlick lange schwierig bleibt. Da gibt es die Ehekrise des Ermittlers, die Mafia- geschäfte des Bordellkönigs, eine Dienstaufsichtsbeschwerde, die dem Polizisten die Rückkehr in das berufliche Leben verwehren könnte – und einen Staatssekretär, der sich nicht so recht entscheiden kann, auf welcher Seite er eigentlich steht.

Wäre der „Schattenmann“ mit Mario Adorf, Günter Strack, Heiner Lauterbauch und vielen anderen nicht bis in die Nebenrollen so hervorragend besetzt und von Wedel bekanntermaßen schlüssig ins Bild gesetzt – man müßte vermuten, diese ZDF-Mamutproduktion werde sich, trotz ihrer Qualitäten, nach dem ersten Teil in die Schattenwelt des Quotenlochs verdünnisieren. Aber vielleicht kann Dieter Wedel am verkaterten Neujahrsabend ja seinen „Bellheim“- Vorschuß einlösen – zumindest dergestalt, daß allerorten die Videorecorder programmiert werden. Denn am Stück genossen ist der „Schattenmann“ durchaus seine Zeit wert. Das ZDF hätte davon freilich nichts: Die GfK mißt den Gebrauch der Bandmaschinen nicht. Hier zählen nur die angestellten Fernsehgeräte. Klaudia Brunst

„Der Schattenmann“ (ZDF): 1.1., 19.30 Uhr; 3.1., 19.25 Uhr, 6.1.; 20.15 Uhr, 8./10.1., 19.25 Uhr