Altbaudielen in honiggelbem Schimmer

■ Holzböden abschleifen – und dann: Kunstharz, Acryllack, Öl oder Wachs?

Ein ohrenbetäubendes Kreischen durchbricht die Stille, Maschinenlärm hallt durch den Innenhof und wird von den Häuserwänden wieder zurückgeworfen. Ein erschrockener Blick aus dem Fenster verrät: In der Wohnung gegenüber zieht der Nachbar mit einer Schleifmaschine seinen Holzfußboden ab.

Erlebnisse dieser Art sind nicht selten in den Altbauten von Berlin. Holzfußböden finden immer mehr Anhänger. Zumal hölzerne Böden und natürliches Design zur Zeit ohnehin bei Inneneinrichtungen angesagt sind. Keine Frage: Der Trend beim Abschleifen geht eindeutig zum Selbermachen. In den Gelben Seiten bieten Unternehmen seitenweise Maschinen zum Verleih an. Schleifmaschine und Flex, die man zur Bearbeitung der Kanten benötigt, kosten fünfzehn Mark pro Tag. „Mit Materialkosten für Schleifbänder und die spätere Versiegelung muß man mit zehn bis fünfzehn Mark pro Quadratmeter rechnen“, sagt Jürgen Elbrecht von der Firma Holl.

Der Kunde erhält eine Einführung über den Umgang mit den Maschinen, sowie eine schriftliche Anleitung für zu Hause. „Auf jeden Fall sollte man beim Schleifen eine Staubmaske tragen, auch eine Schutzbrille sowie ein Ohrenschutz sind nur zu empfehlen“, rät Dagmar Saurbier, Umweltberaterin bei der Verbraucherzentrale in Berlin. Die Schutzausrüstung gibt es bei den meisten Firmen automatisch zum Verleih.

Da die Maschinen immerhin 85 Kilogramm wiegen, sollte man sie unbedingt zu zweit abholen. „Am Wochenende kann es schon mal zu Engpässen kommen, deshalb sollte man vorbestellen“, empfiehlt Reiner Haag von der Firma Baatz. Und: Abschleifen und Versiegeln braucht viel Zeit: Bei Dielen muß man mit vier Schleifgängen rechnen, bei Parkett reichen meist drei.

Die abgeschliffene Oberfläche kann man mit verschiedenen Materialien behandeln. Kunstharze versiegeln die Böden und sind sehr strapazierfähig. „Zwei bis drei Tage braucht der Lack zum Aushärten, in der Zeit darf der Raum nicht betreten werden. Auch langfristig können sich Probleme ergeben, wenn weiter Isyocyanite freigesetzt werden, die Schleimhäute und Atemwege reizen“, sagt Dagmar Saurbier. Bei der Verarbeitung sollte man eine Gasmaske tragen. Von säurehärtenden Lacken rät sie ab. Diese sind zwar ebenfalls sehr strapazierfähig, doch sie geben Formaldehyd ab.

Beliebter sind Acrylharze – die umweltverträglichere Variante. Die wasserverdünnbaren Versiegelungen haben einen Lösemittelanteil unter zehn Prozent und sind, da fast geruchsfrei, in der Verarbeitung sehr viel angenehmer.

Nach einer Überprüfung der Stiftung Warentest von August 1993 sind die guten Acryllacke dabei ebenso verschleiß- und kratzfest wie konventionelle Kunstharzlacke. Elf von den 17 getesteten wasserlöslichen Mitteln schnitten mit „gut“ ab.

In puncto Belastbarkeit bekamen einige Mittel jedoch die Note mangelhaft. Acryllacke brauchen zudem einen sehr sauberen Untergrund und müssen in mehreren dünnen Schichten aufgetragen werden.

Ein besonders gutes Preis-Leistungs-Verhältnis bieten nach der Untersuchung von Warentest zum Beispiel Schill-Acryl-Holzsiegel und Primax Treppen- und Parkettlack. Die beste Fußbodenversiegelung der Acryllacke schaffte der Krautol-Klarlack. Als besonders widerstandsfähig gegen Chemikalien und Wasser erwies sich Düfa- Acryl. In jedem Fall: Sich genau zu informieren, lohnt zweifellos.

Ganz ökologisch ist die Behandlung mit Öl oder Wachs. Diese Mittel sind allerdings nicht so strapazierfähig. Vor Straßenschuhen und Wasserflecken ist der Boden nur schlecht geschützt. „Dafür läuft man auf diesen Böden wie auf Seide“, findet Verbraucherberaterin Saurbier.

Doch nicht jede natürliche Oberflächenbehandlung ist automatisch gut verträglich. Öle und Wachse enthalten häufig Lösungsmittel wie Citrusterpene oder Balsamterpentinöl. „Die Lösungsmittel können über Wochen stark aromatisch riechen und zu Kopfschmerzen führen“, warnt Saurbier. „Empfindliche Menschen sollten sich eine Probe mit nach Hause nehmen und probieren, ob sie mit dem Geruch zurechtkommen.“

Auch für Allergiker sind diese Naturprodukte nicht ratsam. Ihnen empfiehlt Dagmar Saurbier die Naturharzimprägnierung „Meldus für Allergiker“ der Firma Livos. Sie enthält keine ätherischen Öle. Am wenigsten problematisch sei die Behandlung mit Schmierseife.

Die Methode stammt aus Dänemark. Sie basiert auf einer Lauge, die aus Pflanzenölen hergestellt wird. Die Lauge bleicht die Böden etwas aus. Das Holz wird heller. Mit einer Öl-oder Wachsbehandlung dagegen bekommt es einen honigfarbenen Ton.

Solange Dielen intakt aussehen, eignet sich so gut wie jeder Boden zum Abziehen. Dagmar Saurbier ist sich sicher: „Obwohl es eine unheimliche Schinderei war, würde ich das Abziehen immer wiedermachen.“ Hella Kloss