■ Neue Dimensionen im Funsport
: Do Roller fahr'n statt Bus und Bahn

Sie nennen sich „Mr. Brakeaway“ oder „MC Mother Heinz Fucking Müller“. Sie sind schnell, sehr schnell. Und sie bremsen ungern – Rollerbyker. Ihr Hobby: Rollerbykes, laut Vertreiber „Pentacom“ die „neue Dimension im Funsport“. „Do Roller fahr'n statt Bus und Bahn“ könnte das Motto der Sportler lauten. Doch Rollerbyker fahren nicht. Sie surfen, boarden und carven.

Einer von ihnen ist Sascha, ein total durchgeknallter, abgespaceter und superhipper Student aus Limperich, einem trostlosen Bonner Vorort mit Arbeitslosigkeit und ohne Flipper im Jugendheim. Ihn nennen seine Freunde „Schumi“. „Rollerbyken ist Motorradfahren unplugged. Und das ist ja auch besser, wegen der Umwelt und so“, erklärt er, während er versucht, sein Byke mit der „höchsten Ergonomie durch den tiefliegenden Schwerpunkt“ (Eigenwerbung) an ein Straßenschild zu lehnen. Nicht nur „Schumi“ ist dem neuen Megakult verfallen. Für immer mehr Kids sind die Bykes der heißeste Trend seit der Erfindung des Rades – und in den Straßenschluchten der Großstädte werden die Cowboys des Asphaltdschungels nicht selten zu lebenden Geschossen. Ultrarasant wird das Ganze, wenn das Byke bergab cruist. „Ja, gut“, lacht Sascha und wischt sich mit einer jungenhaften Geste den vollen Schopf aus der Stirn, „da wird man ganz schön schnell.“

Passanten und Autofahrer staunen auch nicht schlecht, wenn sich Sascha und seine Freunde im Verkehrsgetümmel an startende Autos klammern. „Carsurfen“ nennen Byker diese halsbrecherische Akrobatik – für „Schumi“ lauer Kaffee: „Du mußt erst mal sehen, wenn ich meine Aktentasche in die Uni mitnehmen muß. Dann wird's wirklich hart.“ Diese mörderische Variante heißt unter Insidern dann „Cargosurfen“. Daß noch niemand dabei sein Leben lassen mußte, ist purer Zufall. „Schumi“ jedenfalls ist vorsichtig geworden. Zweimal schon verfing er sich mit dem Griff seines Samsonite-Koffers im Außenspiegel seines „lifters“. Deshalb nimmt er jetzt nur noch Wagen mit Dachgepäckträger.

Einigen Maniacs aber reicht selbst das nicht. Sie holen sich ihren Thrill, indem sie vollkommen ohne Bremsen an den Start gehen. „Du mußt dann halt immer sehen, wie du ausweichen kannst“, beschreibt „Mr. Brakeaway“, einer der Freunde „Schumis“, den alle nur „Bremsstreifen“ nennen, diesen ultimativen Kick. Dennoch fühlt sich auch „Mr. Brakeaway“ für seine Mitmenschen verantwortlich: „Also, bei Schulklassen und Rentnern zum Beispiel stoppe ich immer.“ Er zeigt auf seinen plastikverstärkten Hosenboden und grinst: „Was meinst du, wozu ich den hier habe?“ Bernd Neubacher