Koschnick befürchtet „Katastrophe“

■ Gewaltakte zwischen Kroaten und Muslimen erhöhen die Spannungen in Mostar. Nato-Truppen mehrfach beschossen

Sarajevo/Zagreb (AP/AFP/ dpa/taz) – Der Konflikt zwischen Muslimen und Kroaten in Mostar sowie die Spannungen in den serbisch besetzten Vorstädten von Sarajevo haben am Wochenende den Fortgang des Friedensprozesses in Bosnien gestört. In Mostar war am Samstag ein kroatischer Polizist während eines Streifengangs angeschossen und tödlich verletzt worden. Zwei Tage zuvor waren zwei muslimische Polizisten beschossen und schwer verletzt worden. Am Samstag abend wurden Granaten aus dem kroatischen Westteil der Stadt in ein muslimisches Viertel gefeuert. Verletzt wurde dabei aber niemand.

Der EU-Administrator von Mostar, Hans Koschnick, hat nach den jüngsten Gewalttaten vor einer „Katastrophe“ in der Stadt gewarnt. Mostar stehe „am Rande des Bürgerkriegs“, sagte Koschnick gestern. Er rief alle Bürger zur Besonnenheit auf. Wegen der anhaltenden Spannungen schickte die Nato sechs Schützenpanzer und 50 spanische Soldaten nach Mostar. Sie sollen die EU-Polizisten bei ihren Streifengängen unterstützen.

Beim Landeanflug auf Sarajevo ist gestern mittag ein französisches Passagierflugzeug mit leichten Waffen beschossen worden. Nach Angaben eines Sprechers der Ifor wurden der Flughafen vorübergehend geschlossen und die höchste Alarmstufe ausgerufen. Es sei aber niemand verletzt worden. Die Ifor behalte sich weitere Aktion vor.

In Grbavica, einer serbisch kontrollierten Vorstadt von Sarajevo, wurden französische Soldaten beschossen. Ob es sich um einen gezielten Angriff oder um Freudenschüsse zum serbisch-orthodoxen Weihnachtsfest handelte, war unklar. Die französische Ifor-Einheit antwortete mit acht Salven aus der 12,7-Millimeter-Kanone eines Schützenpanzers. Ebenfalls am Samstag war in Sanski Most in Nordwestbosnien erstmals eine britische Einheit der Ifor von Heckenschützen angegriffen worden. Auch die Briten erwiderten das Feuer.

Der wegen Kriegsverbrechen vom Haager Tribunal angeklagte Radovan Karadžić erschien am Samstag erstmals seit drei Wochen wieder in der Öffentlichkeit. An seine Landsleute richtete er eine vom Fernsehen übertragene Weihnachtsbotschaft, in der er den Friedensprozeß in Bosnien begrüßte, sich allerdings gegen die Übergabe der serbisch besetzten Vororte Sarajevos an die muslimisch-kroatische Föderation aussprach.

Bundesaußenminister Klaus Kinkel will heute Sarajevo besuchen. Vorab sagte er, die Hilfe zum Wiederaufbau des Landes müsse mit der Verfolgung von Kriegsverbrechern im ehemaligen Jugoslawien verknüpft werden. Kinkel wird in Sarajevo mit dem bosnischen Präsidenten und der Regierung konferieren. Kinkel will auch mit deutschen Soldaten und Vertretern deutscher Hilfsorganisationen zusammentreffen. gb