piwik no script img

Halbe Frauen nicht käuflich

■ Bremerin wollte zwei Männer gleichzeitig haben / Amtsrichter: 3.000 Mark Strafe

Ist sie schön? Wahrscheinlich. Annette A., 33 Jahre jung, hat es im Frühjahr 1994 geschafft, praktisch gleichzeitig in Magdeburg und in Bremen einen Mann vor den Traualtar zu verführen. Am 17. Januar 1994 hat sie in Bremen das aufgebot für den zweiten Mann bestellt, am 2.2.1994 in Magdeburg den ersten geheiratet, las der Amtsrichter mit streng verzogener Miene in der Akte. Die beiden Männer, so muß man jedenfalls unterstellen, hatten nichts dagegen, nicht vor den zivilen Scheidungsrichter wurde die schöne Annette A. gezerrt, sondern vor den Strafrichter: Das Standesamt Bremen hat den Fall zur Anzeige gebracht. „Bigamie“ ist der Straftatbestand. Es handelt sich nicht, wie der Leipziger Kommentar zum Paragrafen 171 Strafgesetzbuch ausführt, um die Bestrafung des „Qualifizierten Ehebruchs“, sondern einfach um den Schutz der staatlichen Eheordnung. „In neuerer Zeit kommt sie die Doppelehe, d.Red.) infolge der Bevölkerungsbewegung in und nach dem Kriege häufiger vor.“

Fünf Journalisten warteten gestern im Amtsgericht, um die Schöne zu sehen und ihre Erklärung für die Vielmännerei zu hören. kein Problem, würde sie vielleicht sagen, die Männer sind sowieso immer „auf Arbeit“. Oder einfach eine Pendlerin, heute Magedeburg, morgen Bremen? Würden die beiden Männer als Zeugen der Unschuld der Annette A. auftreten?

Die Journalisten warteten und warteten – vergeblich. Die Angeklagte kam nicht. Ihre Telefonnummer gibt nicht mehr als ein „kein Anschluß unter dieser Nummer“ her, ordnungsgemäß abgemeldet aber ist es nicht.

Auch der Amtsrichter mußte sich so sein eigenes Bild von der Geschichte machen. „Wir können auch aus der Hüfte schießen“, versicherte er den Presseleuten. Kein Verteidiger, keine Angeklagte, kein Zeuge – 150 Tagessätze a 30 Mark, fertig ist die Sache, „im Namen des Volkes“. In der Akte war der Fall wirklich einigermaßen eindeutig: beide Männer hatten sich mit ghanaesischem Paß ausgewiesen, die Angeklagte war einschlägig vorbestraft in dem Sinne, daß sie auf Geld zugegriffen hatte, das ihr nicht gehörte. Die Lebenserfahrung sagt, daß es auch im Falle der Vielmännerei um Geld gegangen war und nicht um Schönheit oder Liebe. Das Standesamt allerdings wird nicht der Lebenserfahrung folgen, sondern dem Buchstaben des Gesetzes: Vor dem Zivilgericht wird die zweite Ehe angefochten werden, denn nur die war zuviel. Wahrscheinlich wird die Geschichte dann so ausgehen, daß die zweite Ehe anulliert wird, die erste bleibt legitim. So hätte Dhalus, der erste, sie gekriegt für die Häfte des Geldes, das sie als ihren Preis angesetzt hatte, der zweite hätte sozusagen für sie mitbezahlt.

Und sie hat gelernt bei der Geschichte, daß beim Standesamt über ihren Familienstand genauestens ein Kontrollbuch geführt wird. K.W.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen