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■ QuerspalteDie Stimme der Zukunft

Der Fortschritt ist eine Schnecke und heißt Süddeutsche Zeitung. Der Fortschritt hat seit ein paar Tagen sogar eine Telefonnummer: (0190) 36 19 86. Und er hat eine Stimme mit brutaler Heiterkeit, die uns neue „Öko- und Gesundheitstips“ verkündet. Jetzt erfahren wir endlich, daß jedem Fernreisenden eine tückische Fischvergiftung droht: „Das Gift Siguatoxin stammt von Einzellern, die von vielen Fischen verzehrt werden“, sagt die Stimme des Fortschritts. „Die ersten Symptome einer Vergiftung zeigen sich einige Stunden nach der Mahlzeit: Schwitzen, Schüttelfrost, Brennen und Hautreizgefühl um den Mund.“

Der Hypochonder in uns antwortet mit leichter Übelkeit. Der Skeptiker in uns vermutet eine Allianz von Rindfleischindustrie und Telekom. Und der Religiöse in uns, der an das Gute im Computerzeitalter glaubt, freut sich, daß man hier Antworten auf alle drängenden Fragen bekommt. „Ausrangierte Bahnschwellen dürfen nicht als Baumaterial in Haus oder Garten verwendet werden“, warnt die Stimme der Süddeutschen Zeitung – und bewahrt uns davor, aus unserer Bahnschwelle ein Bettgestell zu schnitzen.

Außerdem ist der neue Service interaktiv. Dies bedeutet, daß wir gelegentlich eine Telefontaste drücken müssen, damit die Stimme die nächste Nachricht trällert. Es erinnert zwar in seiner Interaktivität an die Fernbedienung unserer Glotze, aber es ließe sich weiterentwickeln: „Geben Sie jetzt Ihren Blutdruck ein“, könnte die Stimme eines Tages fordern und bei 50 zu 20 automatisch den Notarzt schicken.

Ach ja, eines hätte der Historiker in uns beinahe vergessen. Die Telekom, endlich dem Wettbewerb ausgesetzt, bietet solche „Gesundheits-und Verbrauchertips“ ebenfalls an. Diese Woche zum Beispiel zum Thema „Keimlinge – der Vitaminstoß von der Fensterbank“. Seit wann es dieses Angebot gibt, weiß die Bundespost nicht. Wir schätzen: seit drei Jahrzehnten. Unser Dank gilt dem Postminister, daß er dieses unerträgliche Monopol der Telekom endlich zu Fall gebracht hat. Felix Berth

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