„Ich bin doch nur ein kleines Hamperl“

Auf der Klausurtagung in Wildbad Kreuth will sich die CSU mit Sozialabbau profilieren  ■ Von Bernd Siegler

Sepp Hatzl ist rundum zufrieden. Der 64jährige ist Bürgermeister der oberbayerischen Gemeinde Kreuth. Jahr für Jahr befindet sich „sein Kreuth“ bundesweit in aller Munde – der CSU sei Dank. Eine bessere Werbung für den Kurort am Tegernsee als die traditionelle Klausurtagung der Bonner CSU- Landesgruppe im Ortsteil Wildbad Kreuth kann sich Sepp Hatzl nicht vorstellen.

Natürlich ist Hatzl auch Mitglied der CSU. Vor vier Jahren wurde der gelernte Schreiner mit 97 Prozent der Stimmen zum Bürgermeister gewählt. Mit Bundespolitik hat er zwar nichts am Hut – „Ich bin doch nur ein kleines Hamperl“- aber an die erste Klausurtagung vor 20 Jahren kann sich Hatzl noch genau erinnern.

1976 war es, als die Christlich- Sozialen noch unter der Ägide des seligen Franz-Josef Strauß der Schwester CDU die Gefolgschaft aufkündigten und fortan als eigenständige Partei auf Stimmenfang im rechten Lager gehen wollten. Aber Druck der eigenen Basis und die Drohung der Christdemokraten, mit einem eigenen Landesverband in Bayern einzumarschieren, ließ die CSU bereits nach drei Wochen wieder reumütig in den Schoß der CDU zurückkehren. Seitdem ist „Kreuth“ nicht mehr länger nur ein Ortsname, sondern das geflügelte Wort für Zwistigkeiten innerhalb der Union. Und Kreuth ist seitdem Pflichttermin für Journalisten aller Couleur.

Doch was ist nur aus dieser CSU in den 20 Jahren geworden? Franz Josef Strauß würde sich im Grabe herumdrehen, wenn er wüßte, daß die Christlich-Sozialen jetzt schon Brigitte Seebacher-Brandt brauchen, um sich am lauschigen Kamin drastisch vor Augen führen zu lassen, wie weit nach links die SPD doch gedriftet sei. Das muß man doch gefälligst ohne Witwengeflüster wissen. „Freiheit oder Sozialismus“ hieß schon 1980 die Devise für die Kanzlerkandidatur von FJS. Ein Affront auch, daß ausgerechnet Helmut Kohl am 28. Januar seinen Fuß auf den heiligen Boden von Kreuth setzen wird, um zusammen mit der CSU-Spitze Strategien für das zu Ende gehende Jahrhundert zu entwerfen. Der Mann, den CSU-Übervater Strauß doch stets als klassische Fehlbesetzung auf dem Kanzlersessel gesehen hat.

Doch während FJS in seiner Gruft in Rott am Inn liegt, stapft die CSU-Parteiprominenz auch dieses Jahr sichtlich gutgelaunt, so als sei nichts gewesen, durch den Kreuther Matsch auf den wartenden Journalistenpulk zu. Parteichef Theo Waigel betont dabei, daß die CSU in Bonn „größeren Einfluß als je zuvor“ habe. Doch auch 1998 sei Kohl für ihn die erste Wahl. Bis dahin werde die Koalition auf jeden Fall halten. Schon oft seien „Totgesagte später sehr lebendig gewesen“, nimmt der CSU-Chef sogar die schwächelnde FDP in Schutz.

Nur Landesgruppenchef Michael Glos hebt ab und an drohend die Stimme. Er mahnt die Liberalen, daß „jedes Wackeln Betrug am Wähler“ sei. Ein Strategiepapier der Landesgruppe warnt zudem die CDU „eindeutig und unmißverständlich“ vor Gedankenspielen über eine Große Koalition.

Mit Kreuth 1996 will die CSU keinen Ehekrach mit der CDU anzetteln, sie will sich mit dem Thema „Umbau des Sozialstaates“ profilieren. „An allen Ecken und Enden muß gespart werden“, bleut Parteichef Waigel den 50 CSU-Abgeordneten ein, schließlich will Deutschland 1996 die Stabilitätskriterien des Maastrichter Vertrages erfüllen. Im vergangenen Jahr sei dies nicht der Fall gewesen, räumt der Finanzchef ein, die Neuverschuldung war höher als das Bruttoinlandsprodukt. Deshalb: „Alle, auch wir, müssen alles daran setzen, innerhalb der zulässigen Grenzen zu bleiben.“

Das in Kreuth zur Verabschiedung anstehende „Programm für Stabilität, Aufschwung und mehr Beschäftigung in Deutschland“ macht in seinen 20 Punkten denn auch kein Hehl daraus, daß „Umbau“ für die CSU gleichbedeutend mit Abbau ist. Empfänger von Arbeitslosengeld sollen künftig mit schärferen Mitteln zur Arbeit gewzungen, Kuren und Rehabilitationsmaßnahmen auf drei Wochen zusammengekürzt und beitragsfreie Ausbildungszeiten nicht mehr bei der Rentenberechnung mitgezählt werden. „Einige Milliarden weniger sind doch kein Sozialabbau“, versucht sich Glos mit sprachlicher Kosmetik, während sein Waigel „weitere drastische Einschnitte im Sozialsystem sowie Maßnahmen zur Stärkung der Wirtschaft“ anmahnt. Nichts mehr dürfe zusätzlich ausgegeben werden, was nicht an anderer Stelle eingespart werde.

„Die Finanzen werden halt überall rar“, kommentiert Sepp Hatzl leidenschaftslos die neuen CSU-Forderungen. Er meint damit auch die eigene Partei, die mit einem Schuldenstand von 19 Millionen in die im März anstehenden Kommunalwahlen geht. Nur in Kreuth ist finanziell die Welt noch in Ordnung. 240.000 Übernachtungen im Jahr lassen in der „Perle des Tegernseer Tales“ (Hatzl) die Kassen klingeln.

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