Regierung verjagt

■ CDU und SPD verhandeln geheim

Ins Jagdschloß Glienicke kommen nicht nur Jäger, sondern auch Gejagte. In die Nähe Potsdams zogen sich gestern die Delegationen von CDU und SPD zurück, die bis heute abend eine neue Große Koalition aushandeln wollen. Beide Seiten fühlen sich von der Presse verfolgt und sehen sich genötigt, an einem „geheimen Ort“ zu tagen. Und weil Geheimnisse nur auf Zeit zu wahren sind, wird der Verhandlungsort häufiger gewechselt als ein Senatorenslip. Am Dienstag tagten die Koalitionäre in spe jedenfalls noch im Japanisch-Deutschen-Zentrum am Tiergarten.

Der Ort war so geheim, daß die SPD-Linke Monika Buttgereit das Zentrum „nur mit Mühe“ fand, wie sie Journalisten mitteilte, die – komisch, komisch! – längst auf die Verhandlungsdelegationen warteten. Diepgens Sekretärin kann dabei nicht die Verräterin gewesen sein, schließlich zeigt der in der Senatskanzlei herumliegende Kalender des Regierenden bis heute – übel, übel! – keinen Eintrag. Als zuverlässige Informanten stellten sich dagegen die Parlamentarier heraus: Eine taz-Kollegin, die nämlich von der SPD-Fraktion eine Frage zur Krankenhauspolitik hatte und eine gar nicht so geheime Funktelefonnummer wählte, landete – Volltreffer! – mitten in den Koalitionsgesprächen: „Was fällt Ihnen ein, die Verhandlungen zu stören“, giftete am andern Ende der Leitung SPD-Fraktionschef Klaus Böger, sauer auf seinen parlamentarischen Geschäftsführer, weil dieser das Telefon nicht ausgeschaltet hatte. Doch jeder ist lernfähig: Gestern meldete sich unter dieser Nummer nur eine freundliche Telecomstimme: „Der gewünschte Gesprächspartner ist zur Zeit nicht erreichbar.“ diak