Dat jeht uffs Gemüt

Warum die Eisbären DEL-16. werden müssen? Um dann im Play-off gleich rauszufliegen? Damische Frage!  ■ Aus Berlin Peter Unfried

So spielt also die Deutsche Eishockey Liga (DEL) weiter vor sich hin. Seit Weihnachten und bis Mitte Februar nennt man es Zwischenrunde. Aber was heißt: spielen vor sich hin? Dem, der drinsteckt, brauchst' mit Spitzfindigkeiten nicht zu kommen. Warum zum Beispiel die Eisbären Berlin unbedingt 16. werden müssen und keinesfalls 17. werden dürfen? Damische Frage, damische: „Als 16. bist in den Play-offs“, sagt Lorenz Funk (48), Exil-Tölzer und dort eine Art Manager. Das weiß jeder und muß man nur einem ausgemachten Idioten erklären. Na, aber, dann bist' als 16. in den Play- offs und spielst gegen den Ersten, sagen wir Landshut oder Köln. Und drei Spiele später dann doch draußen? Jetzt holt aber der Lenz seine Hände aus den Manteltaschen und sagt mit der Weisheit von 225 Länderspielen: „Dann hast' aber ein Heimspiel.“

Zusätzlich. Heimspiele bedeuten Geld, Geld ist klamm. Für immer? Sagen wir: nach wie vor. Die Eisbären sagen, sie hätten weniger Schulden als im Vorjahr. Immerhin ein wenn auch relativer Erfolg. Falls dem so sein sollte. Zumindest hat Billy Flynn ein relativ billiges Team mit Leuten aus der 1. Liga zusammengeholt. Und fehlen die Zuschauer nicht. Vorgestern beim 4:2 (1:1, 2:2, 2:0) über Ratingen waren's zwar nur 2.200, doch es war nach dem 4:1 gegen Kaufbeuren bereits der zweite Sieg im neuen Jahr, nachdem man zuletzt Mitte November gewonnen hatte.

Wenn das kein Grund zum Feiern ist! „Zeigen Sie Ihre Euphorie“, rief der Stadionsprecher, und nachdem Trainer Flynn die obligatorische, aber seltene Gelegenheit wahrgenommen hatte, aufs Eis zu kommen, um sich huldigen zu lassen, kehrte er unter tosendem Jubel gar noch einmal zurück, diesmal Helmut Berg im Gepäck. Auch der Immobilienmensch liebt die populistische Pose, und wenn sie ihm an den Bier-Stehtischen im Sportforum „Helmut“ hinterherrufen, bleibt er stehen und stellt sich dazu.

Zwar hat er die Präsidentschaft des Vereins abgegeben an den Juristen Ülo Salm, doch Bären-Herzblut und Majorität in der GmbH behalten. Auch für Billy Flynn sind die Eisbären, wie er immer und gern betont, eine Sache des Herzens. Deshalb mußte er zuletzt den Stürmer Andrej Lomakin draußen lassen und ihm mit Verabschiedung drohen, weil der nicht recht bluten wollte. Vergeben, vergessen: Ein prima Tor gegen Ratingen und mehr noch, lobt Flynn, „gelaufen, gekämpft, Defensivarbeit geleistet“. Jetzt soll er zumindest bis Saisonende bleiben.

„Die Eisbären“, sagt Flynn, „brauchen ihre Ausländer.“ Ohne den Denker Dorochin, die Toremacher Galschenjuk und Lomakin könnte man überhaupt nicht gewinnen. Dafür ist die Verteidigung zu kostengünstig besetzt. Abgesehen von Thomas Graul fehlen Offensivqualitäten, und selbst der Kapitän gehört zu denen, die, wenn sie Kreatives planen, umgehenden Puckverlust riskieren. Fehler macht man reichlich: „Nach dem ersten Drittel hätte es 3, 4 oder 5:0 stehen müssen“, haderte Bill Lochead, Ratingens Trainer. Für die Seinen, wohlgemerkt.

Aber da war der Matchwinner Peter-John Lee (40), Schütze des dritten, Vorbereiter des vierten Treffers von Galschenjuk. Und da war Keeper Udo Döhler (27), der Liebling in Hohenschönhausen. „Er gibt uns die Sicherheit“, sagt Flynn, „indem er unsere Fehler ausbügelt.“ Wunder kann der gute Mann aber auch keine vollbringen. 181 Gegentore in 39 Spielen, das sind mehr als vier im Schnitt – und vier Treffer müssen im verteidigungsorientierten Gegenwarts- Eishockey zum Sieg reichen. Das Problem: Döhler kriegt meist zu viele Schüsse aufs Tor, als daß er immer alle halten könnte.

Gegen Ratingen aber konnte er: „Wir hätte noch zwei Stunden schießen können auf Döhler“, befand Lochead freundlich. Macht nix, Ratingen (36 Punkte) mit seiner relativ fixen Tabellensituation zwischen 9 und 11 kratzt das wenig. „Wir“, sagt dagegen Flynn ganz zufrieden, „sind jetzt unserer Zielsetzung näher.“ Seine Rechnung heißt nunmehr: 2 + x. 23 Punkte hat man, zwei braucht es, um den 16. Hannover (24) zu überholen. x ist die Zahl der Punkte, die das mehr tote als lebendige Überbleibsel des kaputten DEL-Konkurrenten noch machen wird. Flynn rechnet im geheimen damit, daß x gegen null geht.

Aber, warnt Lorenz Funk, „du mußt mit allem rechnen“. Insbesondere wenn am Freitag in Hannover Kaufbeuren antritt, auch das ein Team, das zu jenen gehört, die nicht nur Rekordspieler Udo Kießling zugunsten einer verkleinerten, aber niveauvolleren Liga lieber loswerden möchte. Eisbären gegen Hannover heißt es am Sonntag. Für die einen das unnötigste Spiel der Welt, für die anderen wie den Lenz Funk „ein absolutes Schlüsselspiel“.

So sieht das Funk, der nun auch schon einige Jährchen in Hohenschönhausen wurschtelt: „Die Eisbären waren noch nie in den Playoffs“, letztes Jahr im übrigen als 17. und einziges Team. „Imma nur letzter oder Vorletzter, dat jeht dir ja uffs Gemüt“, stöhnt auch die offizielle Vereinspostille Eisbärenpost. Also findet Funk, daß „nur eines zählt: „Wir müssen Hannover schlagen und noch ein paar Punkte holen.“ In der Geschichte steht der Vorgänger Dynamo festgemauert als zweitbester DDR-Klub aller Zeiten. Alles relativ: Es gab nur zwei. Nun wäre man als Drittletzter und Playoff-Teilnehmer auf einem neuen Höhepunkt. So kann man das sehen.