■ Die Medien sehen vor lauter Urwald die Bäume nicht
: Wie jetzt, Costa Rica?

In der Bundesrepublik sorgt man sich um das Schicksal der beiden in Costa Rica im Urwald entführten Frauen. Diese Sorge hat in der fernsehgewohnten deutschen Medienlandschaft allerdings Assoziationen und Emotionen geweckt, die an die brasilianische Seifenoper „Pantanal“ erinnern. Indem sie ganz auf das Dschungelszenarium fixiert sind, übersehen die meisten Berichte die innenpolitischen Hintergründe, die zu diesem Geiseldrama geführt haben.

Wer schreibt schon darüber, daß der costaricanische Sicherheitsminister Juan Diego Castro einige Tage vor Weihnachten Hunderte Polizisten vor dem Parlament in San José aufmarschieren lassen hat, um ein Gesetz durchzudrücken, das den bewaffneten „Ordnungshütern“ fast unbeschränkte Machtbefugnisse zugestanden hätte? Wen kümmert es, daß der derzeitige Polizeipräsident gerade jener Mann ist, der Mitte der achtziger Jahre als Chef einer noch immer existierenden Unidad de Investigacion Antiterrorista (UIA) eine Reihe von Bombenanschlägen verüben ließ, die er dann irgendwelchen, von ihm selbst erfundenen „Guerillagruppen“ in die Schuhe geschoben hat?

Das Szenario jetzt ist ähnlich – es macht das Gerücht die Runde, daß das Entführungskommando „Viviana Gallardo“ auf eine nicht ganz zufällige Erfindung des costaricanischen Kanal 7 zurückgeht. Nein, um das costaricanische Geiseldrama aufzuklären, braucht man keine GSG 9, um im Urwald Versteck zu spielen. Da braucht man bloß die innenpolitischen Vorgänge zu beobachten, um festzustellen, daß in diesem Fall die Räuber und die Gendarmen an ein- und denselben Strippen hängen – und die laufen in den Händen des Sicherheitsministers zusammen.

Was muß denn noch alles passieren, damit die Weltöffentlichkeit endlich bemerkt, daß in Costa Rica in den letzten Tagen ein politischer Putsch stattgefunden hat, der sich hinter einer journalistischen Ereignisberichterstattung verschanzen kann? Oder wie sonst wäre es zu erklären, daß der Präsident dieses Landes seit dem Vorfall kein einziges Mal an die Öffentlichkeit getreten ist, und der Sicherheitsminister allen staatlichen Stellen verboten hat, sich zum Geiseldrama zu äußern? Leo Gabriel

Freier Journalist, Filmemacher und Anthropologe. Er lebt und arbeitet seit 25 Jahren in Lateinamerika, davon 15 Jahre in Zentralamerika.