Arsen als Heilmittel der Homöopathie

■ Krankenkassen und Ärzten noch immer suspekt/ Zuschüsse erhalten nur Ärzte Patienten oft ratlos

Seit zwanzig Jahren leidet die 50 Jahre alte Bremerin unter Migräne. Besonders in Streßsituationen ist sie den Kopfschmerzen hilflos ausgeliefert – starke Tabletten und die Flucht ins Bett sind die einzige Rettung. Weder Haus- noch Augenärzte oder Internisten konnten ihre Krankheit heilen, die inzwischen jeder zehnte erwachsene Deutsche hat. Nach der Odyssee durch Arztpraxen wurde der Migräne-Geplagten ein klassischer Homöopath empfohlen.

Das erste Gespräch dauert über drei Stunden. Immer wieder insistiert der Naturheiler, will wissen, wie oft, seit wann und in welchem Teil des Kopfes die Migräne auftritt. Bei mehreren Tassen Tee hat die Bremerin zum ersten Mal das Gefühl, ein „Mediziner“ höre ihr richtig zu. Das ganzheitliche Diagnosegespräch, die Anamnese, soll dem Homöopath Aufschluß über die Lebenssituation des Menschen und die Vorgeschichte der Krankheit geben. Die 200 Mark für die Erstbehandlung und 80 Mark für jede weitere Stunde müssen Patienten aus eigener Tasche bezahlen.

Den gesetzlichen Krankenkassen sind die klassischen Homöopathen ohne Medizinstudium, die großen Wert auf die individuelle Psyche legen, bisher suspekt. „Zuschüsse bekommen nur Ärzte, reine Homöopathen dürfen keine Krankenscheine annehmen“, sagt Gabriele Göschel von der Bremer Gesellschaft für Homöopathische Medizin.

Sogar die Innungskrankenkassen, die auf dem Feld der alternativen Medizin als Vorreiter in der Branche gelten, lehnen eine Zusammenarbeit ab. „Wir haben kein Interesse, denn wir trennen die Spreu vom Weizen“, sagt der Pressesprecher des Bundesverbandes der Innungskrankenkassen, Johannes Beckmann. Zuschüsse bekommen nur Ärzte, die sich zusätzlich mit Homöopathie beschäftigen. Aus diesem Grund haben viele Homöopathen, die ihre Berufsbezeichnung bereits nach zwei Ausbildungsjahren tragen dürfen, Probleme, eine eigene Praxis zu finanzieren.

Mit Medikamenten geht die Migräne-Patientin nach dem ersten Gespräch noch nicht nach Hause – die homöopathische Medizin ist komplizierter als die Verabreichung von Schmerzmitteln. „Jetzt beginnt für mich die eigentliche Arbeit. Für die Auswertung der Angaben brauche ich etwa vier Stunden, meist habe ich dann ein Mittel gefunden“, sagt der behandelnde Homöopath Kai Lindner.

„Der Körper ist aus dem Gleichgewicht und reinigt sich mit Hilfe der homöopathischen Medizin selbst“, erklärt Lindner. Die sanfte Methode mit Pillen aus naturähnlichen Inhaltsstoffen soll in einem ersten Schritt die Lebenskraft und körpereigene Abwehr stärken. Aus der Wirkung des ersten Mittels will der Experte später einen genaueren Stoff bestimmen, mit dem speziell die Migräne geheilt werden soll.

Die wohl berühmtesten Mittel dieser Heilkunde sind Arsen und Strichnin. Früher ausschließlich als Gifte benutzt, schwören Homöopathen heute auf ihre Heilwirkung. Zu Stecknadelkopf-großen Kugeln werden die Naturstoffe mit Alkohol versetzt und immer wieder verdünnt und geschüttelt. Nach dem Begründer der Homöopathie, Samuel Hahnemann soll sich die toxische Wirkung am Ende ins Gegenteil verkehren und heilen.

Britta Körber, dpa