Im Namen der Entwicklungshilfe

■ CDU/CSU und FDP sprechen sich für neue Leitlinien zur Förderung des Drittwelttourismus aus. Kritiker werfen dem Koalitionsantrag Unreife vor

Die Tourismuspolitiker von CDU/CSU und FDP wollen eine neue Tourismuspolitik durch den Bundestag beschließen lassen. Ihr Antrag „Tourismus in die Dritte Welt“, der am nächsten Donnerstag im Bundestag beraten wird, umfaßt eine Analyse des Tourismus und Forderungen an die Bundesregierung.

Das Ziel ihres Antrags, so die fremdenverkehrspolitischen Sprecher Olaf Feldmann (FDP) und Rolf Olderog (CDU), sei eine deutsche Entwicklungshilfe, die verstärkt darauf hinwirke, daß sich der Tourismus in Ländern der Dritten Welt sozial verantwortlich und umweltverträglich entwickle.

Gaby Fierz vom „Arbeitskreis Tourismus und Entwicklung“ (ATE) in Basel hält den vorliegenden Antrag in keiner Weise für geeignet. Angesichts der zahlreichen offenen Fragen, Fehler und Mängel sowohl in der Analyse des Drittwelttourismus als auch in den Forderungen warnt die Tourismuskritikerin vor überstürzten Entscheidungen über eine neue Tourismusförderungspolitik der Bundesregierung. So gehe der Koalitionsantrag von der irrigen Annahme aus, daß der Tourismus denjenigen Ländern eine Chance biete, die in anderen Wirtschaftsbereichen geringe Entwicklungschancen haben.

Die vielbeachtete Weltbankstudie von Katrina Brandon geht davon aus, daß 55 Prozent der Tourismuseinnahmen in die Länder des Nordens zurückfließen; bei Ländern mit geringer Ausstattung an Infrastruktur beträgt diese Rate sogar bis zu 90 Prozent. Insbesondere dort, wo der als umweltvertäglich und sozial verantwortlich angepriesene Ökotourismus stattfinde, bleibe am wenigsten Geld in den bereisten Ländern.

Auch für Südafrika hat eine Studie der UNO-Organisation Unrisd (Forschungsinstitut für Soziale Entwicklung) die Gefahren des Ökotourismus ohne regionale Einbindung aufgezeigt. Länder, die stark vom Tourismus abhängig sind, müßten daher in erster Linie andere Wirtschaftsbereiche fördern, um die Sozial- und Umweltverträglichkeit zu erreichen.

Heftig umstritten ist auch die Annahme, der Tourismus diene der Erhaltung der reichen Naturpotentiale. Oftmals hat sich gezeigt, moniert Gaby Fierz vom Baseler Arbeitskreis, daß der Tourismus geradezu der Verursacher unerwünschter Entwicklungen ist. Durch die touristische Erschließung von Nationalparks zum Beispiel sei in vielen Fällen die ansässige Bevölkerung vertrieben worden. In den nächsten Jahren könnten sich die sozialen Konflikte wegen der gegenwärtigen Naturschutzpolitik noch weiter zuspitzen.

Die massive Kritik am Tourismus in Entwicklungsländern hatte es still werden lassen um die bundesdeutsche Tourismusförderung, die sich immer noch an Leitlinien von 1974 orientiert. Angesichts des anhaltenden Tourismusbooms liegt es geradezu in der Luft, Tourismusförderung für die beliebten Fernreiseregionen wieder hoffähig zu machen. Die Forderungen im vorliegenden Koalitionsantrag bieten hierzu vielfältige Möglichkeiten: Unterstützung von Tourismus-Consulting, Integration des Tourismus als Wirtschaftsfaktor, Förderung von Modellprojekten. Und Rücksichtnahme auf die einheimische Bevölkerung in den Zielgebieten, damit sie mehr Informationen erhält und auf ihre Rolle als Gastgeber vorbereitet wird. Ein Schelm, wer bei solch dehn- und wandelbaren Forderungen Übles denkt!

Vielleicht gibt es ja bald eine mit bundesdeutschen Mitteln unterstützte Tourismusberatung in Birma (der Tourismus paßt dort hervorragend in die wirtschaftliche Gesamtkonzeption), Hotelgroßprojekte mit einer ökologisch bewirtschafteten Golfanlage oder in Perfektion dienernde Einheimische. Der Antrag sieht vor, lokale Umweltgruppen zur Mitwirkung einzuladen. Von Partizipationsmodellen, die der ansässigen Bevölkerung Raum zum Mitplanen und Mitentscheiden lassen, ist aber nirgends etwas zu lesen.

Ungenannt bleibt auch, wie die Forderungen durchgesetzt werden sollen. Eine Informationskampagne bei der gastgebenden Bevölkerung über Reisemotive und Bedürfnisse der Touristen – so im Antrag gefordert – kann nicht im Sinne einer kritischen Aufklärung liegen. Sozialverantwortlich bedeutet hier wohl eher, den Reisebetrieb reibungsloser zu machen, damit die Diener besser wissen, was von ihnen erwartet wird.

Thomas Feige, Tourismusexperte im BMZ, stimmt in seiner Analyse zum Drittwelttourismus mit den Tourismuspolitikern von CDU und FDP überein. Auch in Zukunft beabsichtige das BMZ, den Tourismus nicht schwerpunktmäßig zu fördern. Zumal in den letzten Jahren schon Tourismusprojekte hier und in den Entwicklungsländern gefördert worden seien. Allerdings unter einem anderen Titel. So sei beispielsweise die Umweltaufklärung für Touristen in Tunesien als Maßnahme zum Umwelt- und Ressourcenschutz unterstützt worden.

Noch vor einiger Zeit hörte sich dies noch anders an. Gegenüber der entwicklungspolitischen Zeitschrift Vehement versicherte das BMZ, daß seit mehreren Jahren „keine Neuzusagen der finanziellen oder technischen Zusammenarbeit mehr für Tourismusprojekte getätigt“ wurden. Mechthild Maurer