Die Ära Soares geht zu Ende

■ Bei den Präsidentschaftswahlen in Portugal haben die Sozialisten gute Chancen

Lissabon (taz) – Aníbal Cavaco Silva biß im Wahlkampf kräftig in ein Stück Königskuchen und kaute in die Kameras. Die Fragen der JournalistInnen ignorierte er und drängelte sich zu seinem Auto durch. „Königskuchen für alle“, war das einzige, was der rechtsliberale Präsidentschaftskandidat zwischen den Zähnen hervorpreßte. Am folgenden Tag auf sein Verhalten angesprochen, sagte Cavaco: „Beim Essen spricht man nicht.“ Doch sein Schweigen hatte einen anderen Grund: Die Umfrageergebnisse, nach denen Cavaco die Präsidentschaftswahl in Portugal am Sonntag verlieren wird. Sein Rivale Jorge Sampaio, der von der Sozialistischen Partei (PS) unterstützt wird, liegt mit 46 zu 42 Prozent vorn.

Zehn Jahre war Cavaco Ministerpräsident. Doch bei der Parlamentswahl im Oktober erlitt seine rechtsliberale Sozialdemokratische Partei (PSD) eine Niederlage. Die PS feierte den größten Wahlsieg ihrer Geschichte und übernahm die Regierung. Cavaco war allerdings zur Parlamentswahl erst gar nicht angetreten.

In seiner zehnjährigen Amtszeit als Ministerpräsident mußte der rechtsliberale Cavaco mit dem sozialistischen Staatspräsidenten Mário Soares zusammenarbeiten. Diese portugiesische Kohabitation war in den letzten Jahren konfliktreich geworden. Während Cavaco das einst als westeuropäisches Armenhaus verschriene Portugal im Schnelltempo modernisieren wollte, ließ Soares keine Gelegenheit aus, um auf die von der hastigen Modernisierung Vergessenen aufmerksam zu machen. Auch wandte sich Soares immer lauter gegen Auswüchse der zehnjährigen Alleinregierung der PSD wie Vetternwirtschaft und Korruption.

Kein anderer Politiker hat die 22 Jahre portugiesischer Demokratie nach der „Nelkenrevolution“ 1974 so geprägt wie Mário Soares. Er war Außenminister, Ministerpräsident und zuletzt Staatspräsident. Während der faschistischen Diktatur in seiner Heimat hatte er sich vehement für Freiheit und Demokratie eingesetzt, wurde zwölfmal verhaftet und schließlich ins Exil getrieben. Dort gründete er 1973 auch die PS. Nach der „Nelkenrevolution“ kam es in Portugal zu Machtkämpfen zwischen der gemäßigten und der radikalen Linken, die das Land an den Rand des Bürgerkrieges brachten. Soares mobilisierte die Menschen gegen eine drohende Diktatur und wurde erster demokratisch gewählter Ministerpräsident.

Staatspräsident wurde Soares erstmals 1986. Und 1991 wurde er mit 70,3 Prozent der Stimmen in diesem Amt bestätigt. Eine dritte Amtszeit verbietet die Verfassung. Nun will der einstige Lissabonner Bürgermeister Sampaio seine Nachfolge antreten. Die Sozialisten sind im Aufwind. Und dieser Aufwind soll Sampaio auf den Präsidentensessel tragen. Damit ginge für die PS ein Traum in Erfüllung: eine Mehrheit, eine Regierung, ein Präsident. Theo Pischke