Boom Boom Bumerang

Hamburgs Spekulantenklinker zeigt Risse: Der Konkurs des Immobilien-Tycoons Dabelstein erschüttert die Boomtown an der Elbe  ■ Aus Hamburg Florian Marten

Auch der sozialdemokratische Bausenator kam, wenn Hans Erich Dabelstein zur Grundsteinlegung oder zum Richtfest rief. „Beton-Eugen“, wie selbst Parteigenossen ihren bulligen Senator nennen, posierte fröhlich vor der Kamera, das Champagnerglas in der Hand. Jetzt hat er nur noch Spott übrig für den Mann, dem er solche Auftritte verdankt. „Da reguliert der Kapitalismus sich selbst.“

Dabelstein ist tief gefallen. Das Amtsgericht Hamburg hat ein Konkursverfahren gegen ihn eingeleitet. Der Tycoon mit Vorliebe für teure Autos, Edel-Immobilien und Gemälde-Schinken der gehobenen Art hat seinen Besitz aus Hotels, Bürotürmen, Altbauten und Villen in Hamburg und Schleswig-Holstein vor kurzem noch auf eine Milliarde Mark taxiert. Heute bemühen sich die Commerzbank, die Bayerische Hypotheken- und Wechselbank sowie die M.M. Warburg Bank, die den größten Teil von Dabelsteins Imperium finanzierten, einen Überblick über den Schaden zu gewinnen: In der Mehrzahl der Projekte sollen die Kredite den aktuellen Verkehrswert übersteigen.

Wollen die Banken ihr Geld wiedersehen, hilft nur langer Atem: In Spitzenlagen purzelten Büromieten und Immobilienwert seit 1992 um 30 bis 50 Prozent. Besorgt ist auch die Stadt: Am morgigen Dienstag wollte der Senat zur Linderung seines mehrere Milliarden Mark großen Haushaltslochs den Verkauf von 72 Immobilien beschließen – der Zeitpunkt könnte kaum schlechter gewählt sein. In Hamburg stehen heute fast 600.000 Quadratmeter Bürofläche leer, das entspricht 10.000 Wohnungen.

So kommt Dabelsteins Pleite keineswegs überraschend. Die Krise ist die von Experten seit Jahren präzise vorhergesagte Folge einer jahrelangen Fehlspekulation von Politikern, Banken und Immobileninvestoren: 1989 war das Establishment der im Schatten des eisernen Vorhangs dahindämmernden Handelsstadt aufgewacht. Der damalige Landesbankchef Hans Fahning, bis heute einer der wichtigsten Berater von SPD- Bürgermeister Henning Voscherau, verkündete: „Die Zukunftschancen sind hervorragend. Die Politik muß ganz deutlich erklären, daß Hamburg wachsen soll und wachsen wird. Hamburg verfügt über das wirtschaftliche Potential, bei der Integration Europas den Part einer nordeuropäischen Zentrale zu übernehmen.“

Hamburg, da waren sich Politik und Wirtschaft schnell einig, sollte nicht norddeutsche Metropole, sondern gleich nordeuropäische Zentrale werden, ein Niveau, das selbst das mächtige Lübeck der Hansezeit nie erreichte. Um dem aufstrebenden Berlin zuvorzukommen, müsse der „weitgehende Konsens zwischen Unternehmern und Politik“ genutzt werden, tönte Fahning weiter. Den Worten folgten Taten, wie der Stadtsoziologe Jens Dangschat bestätigt: „Geplant wurde, was die Investoren wollten. Wenn Dabelstein ein Grundstück haben wollte, hat er es bekommen. Die Stadt gab sich in die Hände von Großinvestoren.“

Weit wichtiger als die Gefälligkeiten für den in den besseren Kreisen wenig geachteten Aufsteiger Dabelstein waren und sind die Geschenke der Stadt an große Investmentfonds aus Kanada, Schweden, Großbritannien und den USA, die sich seit Ende der 80er Jahre gezielt in Hamburg einkaufen. Die Stadt verschleuderte beispielsweise die Kehrwiederspitze, den prominentesten Platz der historischen Speicherstadt, an ein Konsortium von Citybank und dem britischen Finanzmulti P&O. Zwischen 1990 und 1994 waren City und Elbrand von riesigen Baukränen überragt. Jährlich entstanden 300.000 Quadratmeter Bürofläche – obwohl höchstens 100.000 gebraucht wurden.

Trotz heftiger Mahnungen von Experten, die Wohnungen und Platz für Kleingewerbe forderten, ließen sich die Bürobauer nicht beirren. „Erst 1994 trat das Spekulantenkartell vorsichtig auf die Bremse, wie Michael Fritz, Hamburgs Lokal-Chef des großen Immobiliendealers Jones Lang Wotton, anmerkt: „Schneider ließ grüßen: Die Banken halten sich bei Finanzierungszusagen für neue Projekte zunehmend zurück.“

Doch angesichts der oft vieljährigen Laufzeiten von Immobilienprojekten kam dies nicht nur für Dabelstein zu spät. Viele der großen Hamburger Bauinvestoren kämpfen derzeit mit Schwierigkeiten. Ein richtiger Immobiliencrash, wie jüngst in Norwegen, Teilen Großbritanniens, den USA und Tokio, steht Hamburg jedoch nicht bevor, weil die Banken fester stehen: Große Immobilienkrisen brechen gewöhnlich erst dann aus, wenn einzelne Banken in Schieflage geraten und anfangen, ihre nicht bedienten Hypotheken mit Zwangsversteigerungen zu versilbern. Dies löst dann eine Kettenreaktion des Preisverfalls aus. Davon ist das Kartell der Hamburger Bodenspekulation noch weit entfernt. Verluste bei einzelnen Objekten werden geräuschlos verdaut, einzelne Spekulanten, die sich verhoben haben, kaltlächelnd aus dem Markt gekickt: „Flurbereinigung“.