Ein Gebet für die Toten

Das Gedenken an den Holocaust steht im Mittelpunkt des Besuchs von Israels Präsidenten Weizman  ■ Von Anita Kugler

Berlin (taz) – Der viertägige Deutschlandbesuch des israelischen Staatsprädidenten, Eser Weizman (71), begann gestern mit einer Panne, die dem ehemaligen Kampfflieger und Luftwaffengeneral die Haare zu Berge stehen lassen müßten. Möglich ist aber auch das Gegenteil, schließlich beweist sie, daß deutsches Militär auch nicht mehr das ist, was es einmal war.

Der für Sekunden nach der Ankunft des Ehepaar Weizmans geplante Überflug einer Ehrenformation der Luftwaffe, zwei Phantoms und zwei Migs, mußte ausfallen, weil die Jagdflieger zuwenig Sprit im Tank hatten. Auch der Alternativplan – kleine Schleifen am Himmel – scheiterte, weil die Flieger von einer Verspätung der Präsidentenmaschine ausgingen und deshalb erst gar nicht angerückt waren.

Die erste Station von Weizmans Besuch war gestern vormittag das ehemalige Konzentrationslager Sachsenhausen, 30 Kilometer nördlich von Berlin. Auf seinem Gang durch die Mahn- und Gedenkstätte begleiteten ihn Bundespräsident Roman Herzog und der brandenburgische Ministerpräsident, Manfred Stolpe. Gemeinsam eröffneten sie die Ausstellung über das Schicksal jüdischer Häftlinge in Sachsenhausen.

Die Wanderausstellung wird im Mai im Bundestag und später in der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem gezeigt werden. In Sachsenhausen waren insgesamt etwa 30.000 jüdische Häftlinge inhaftiert. Die meisten von ihnen wurden 1942 nach Auschwitz deportiert und ermordet. Zwei als Museum erhaltene Baracken jüdischer Häftlinge wurden 1992 bei einem Brandanschlag zerstört. Die Wiederaufbauarbeiten sollen im März beginnen. Insgesamt litten in Sachsenhausen 200.000 Menschen, die Hälfte von ihnen überlebten das Lager nicht.

Bei der Eintragung ins Gästebuch sagte Weizman „Mein Herz ist schwer, voller Zorn und Trauer.“ Und an die Jugend appelierte er, daß sie studieren sollen, „wie es passiert ist, und wie es verhindert werden kann“. Später legte Weizman an der sogenannten Station Z, dem früheren Erschießungsgraben einen Kranz nieder. Dort wurde auch das Kaddish, das jüdische Totengebet gesungen. Für die Gedenkstätte ist der Besuch sehr bedeutungsvoll, weil ihr für dieses Jahr die Haushaltsmittel drastisch gestrichen wurden.

Der unmittelbar nach Sachsenhausen geplante Besuch der Gedenkstätte „Haus der Wannseekonferenz“ mußte wegen Nebel ausfallen. Weizman wollte dorthin eigentlich mit dem Hubschrauber fliegen. In diesem Haus wurde 1942 die Vernichtung der europäischen Juden beschlossen. Die pädagogischen Mitarbeiter des Hauses, die genau wie die in Sachsenhausen permanent Geldsorgen haben, standen vergeblich Spalier.

Am frühen Nachmittag machte der Präsident ausnahmsweise das, was alle Staatsgäste tun. Er pilgerte mit Berlins Bürgermeister Eberhard Diepgen durch das Brandenburger Tor. Nur die Sicherheitsbedingungen übertrafen alle Staatsbesuche der vergangenen Jahre. Die extrem weitläufigen Absperrungen wurden mit Befürchtungen wegen 2.000 angeblichen Hamas-Sympathisanten in Berlin begründet. Spezialeinheiten der Berliner Polizei turnten sogar mit Schlittschuhen auf dem schon brüchigen Eis des Wannsees herum. Für alle Fälle trugen sie aufgrund der warmen Witterung blaue Schwimmwesten.

Am Sonntag nachmittag diskutierte Weizman mit sieben ausgewählten Jugendlichen und Wissenschaftlern im Centrum Judaicum/ Neue Synagoge und traf sich mit Mitgliedern der Jüdischen Gemeinde. Heute fliegt er nach einem Besuch der ehemaligen Hinrichtungsstätte für deutsche Widerstandskämpfer in Berlin-Plötzensee nach Bonn. Dort will er mit Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth und Bundeskanzler Helmut Kohl sprechen. Am Dienstag wird Weizman vor dem Bundestag eine Rede halten. Weitere Stationen sind Wolfsburg und Dresden.