Unterm Sofa gefegt

■ Israels Staatspräsident kommt – Bonn räumt auf

Kaum steht der israelische Präsident Eser Weizman vor der Tür, schon wird drinnen das Haus geputzt, damit wenigstens die häßlichsten Flecken verschwinden oder zumindest die, die man deutlich sieht. Jahrelang blockierten drei Stammtischexperten von der Union im Bundestag die Ratifizierung der Rentenabkommen für deutsche Juden aus Osteuropa, und nichts passierte. Jetzt hat Weizman kaum angeklopft, und schon, welche Freude, meldet Bundeskanzler Kohl ihm in dieser Angelegenheit den bevorstehenden Vollzug. Noch im Januar sollen die Verträge Gesetz werden.

Wenn Muttern zu Besuch kommt, fegen die meisten Söhne auch mal unterm Sofa. So gesehen geht es in der großen Politik zu wie im Leben. Dennoch ist die Angelegenheit beängstigend, denn sie offenbart, daß die Bundesrepublik immer noch autoritär handelt – nur auf Druck, nur aus Angst vor Strafe oder vor Peinlichkeiten, nur dann, wenn es gar nicht mehr zu vermeiden ist.

Weil man sich auf dieses autoritäre Grundmuster aber verlassen kann, sei Weizman dafür gedankt, daß er Gedenkstätten in und um Berlin besucht. Er fährt ja nicht ins ehemalige KZ Sachsenhausen oder wollte in das Haus der Wannseekonferenz, um sich über den Terror der Nazis zu informieren. Neben der Ehre für die Toten sind diese Besuche eindeutige Signale an die Bundesregierung, die Vergangenheit nicht „wegzunormalisieren“. Konkret: Weizmans Besuche helfen den Gedenkstätten enorm, damit es Bund und Länder nicht wagen, die museale und pädagogische Arbeit durch eine nochmalige Kürzung der finanziellen Mittel weiter zu gefährden. Das taten die Finanzpolitiker nämlich im vergangenen Jahr, kaum daß die letzten Gäste der Befreiungsfeierlichkeiten zum 50. Jahrestag wieder zu Hause waren.

Weizmans Besuche der authentischen Orte des Terrors sind außerdem Signale in der erbittert geführten Auseinandersetzung über das zentrale Holocaust-Mahnmal in Berlin. Natürlich wird er sich nicht gegen ein solches Mahnmal aussprechen, aber Weizmans Besuchsprogramm zeigt, daß ihm originäre Orte wichtig, symbolische Orte hingegen fern sind. Das läßt sich wohl auch daran ablesen, daß Weizman einen Kranz für deutsche Widerstandskämpfer in der ehemaligen Hinrichtungsstätte Berlin-Plötzensee niederlegt und nicht an der Neuen Wache. Weizman macht es sich und damit auch der Bundesregierung nicht leicht. Wenn Druck anders nicht zu erzeugen ist, sollte der israelische Staatspräsident bald wiederkommen. Anita Kugler