Nofretete geht, die Frauen kommen

■ In Berlin-Charlottenburg soll ein bundesweit einmaliges Frauenmuseum entstehen. Schwerpunkt: weibliche Alltagsgeschichte und Arbeitswelt

In der reichen deutschen Museumslandschaft gibt es eigentlich alles: vom Briefmarkenmuseum bis zur Milchkannenausstellung, von der Brautkleidersammlung bis zum Storchenhaus. Und dennoch existiert kein einziges Frauenmuseum von überregionalem Charakter – sieht man vom Bonner Frauenmuseum ab, das der Kunst und den Künstlerinnen gewidmet ist. Berliner Frauen haben sich nun vorgenommen, ein solches Museum zu initiieren. Es soll das Alltagsleben von Frauen in seiner ganzen Sprengkraft für das Geschlechterverhältnis sichtbar machen, die zahllosen Ergebnisse der Frauen- und Geschlechterforschung dokumentieren und den Forscherinnen nebenbei einen angenehmen Platz für wissenschaftliche Kongresse bieten. Wenn alles gutgeht, könnte es zur Jahrtausendwende seine Pforten öffnen.

Die Bedingungen dafür scheinen günstig, gilt es doch eine Leerstelle im doppelten Sinne zu besetzen. Erstens schreien Museumsmitarbeiterinnen, Frauenforscherinnen oder Freizeitsammlerinnen seit Jahren lauthals nach solch einem Ort, weil ihre Schätze ungesehen in Museumskellern oder Gartenhäuschen vermodern. Zweitens ergibt sich aus der geplanten Neugruppierung der hauptstädtischen Museumslandschaft auch eine geographische Leerstelle. Die schöne Pharaoin Nofretete geht, ihre berühmte Büste zieht mitsamt dem Ägyptischen Museum vom Berliner Bezirk Charlottenburg in den Regierungsbezirk Mitte. Andere Museen sollen ebenfalls verlegt werden, sodaß in der Schloßstraße 1a, wo bisher das Bröhan-Museum und das Rathgen-Forschungslabor untergebracht ist, wahrscheinlich ein ganzes Haus leerstünde.

„Wir wollen kein Kleinklein, wir brauchen ein großes Haus samt Kongreßräumen und Bibliothek“, sagt Brigitte Kippe. Die Charlottenburger Frauenbeauftragte und die Leiterin des Charlottenburger Heimatmuseums, Birgit Jochens, sind die Initiatorinnen des Projektes. Die beiden sind ein geradezu ideales Gespann, weil sie Sachkompetenz mit guten politischen Kontakten vereinen, ihnen zur Seite steht inzwischen ein Förderverein.

„Wenn das Projekt überhaupt entsteht, dann nur hier“, sind sich die beiden Frauen sicher. „Charlottenburg ist ein besonderer Ort der Frauengeschichte.“ Hier begründete eine Frau, die preußische Königin Sophie Charlotte, eine einstmals selbständige Stadt, hier lebten bedeutende Künstlerinnen und Frauenrechtlerinnen, hier gab es um die Jahrhundertwende schon einmal kurzzeitig zwei kleine Frauenmuseen. Das Wichtigste für die Gegenwart aber ist, daß kein anderer Bezirk so viel Wert auf Frauenpolitik und Frauenförderung legt. Worüber andernorts nur die Bündnisgrünen reden, wird hier von Bezirksbürgermeisterin Monika Wissel (SPD) und ihrer Frauenbeauftragten Brigitte Kippe (CDU) gemeinsam gepuscht.

Die Frauenbeauftragte berichtet listig lächelnd, wie sie so manchen Mann von der Idee überzeugen konnte. „Wir haben einen Arbeitsplatz der zwanziger Jahre nachgebaut, mit einer Schreibmaschine und einem Runderlaß an der Wand: ,Schreiben führt zu gesundheitlichen Schäden und wird den Beamten verboten.‘“ Als die Schreibmaschinen um 1890 herum in die serienmäßige Produktion gingen, hätten nur Männer die neuen Wunderwerke der Technik bedient, erzählt sie. Doch als diese immer mehr Sehnenscheidenentzündungen bekamen, drückten sie Frauen auf die neuen Arbeitsplätze. „Danach, bei den Computern, war es genau umgekehrt: Erst saßen weibliche Schreibkräfte daran. Männer verdrängten sie, als Computer Prestigeobjekte wurden. Das ist ein Beispiel von unzähligen, wie Frauenarbeit entwertet wird.“ Die Frauenbeauftragte vom Süssmuth-Flügel ihrer Partei sorgte also auf ihre Art für weitere Unterstützung auf Landes- und Bundesebene. In den jetzt abgeschlossenen Berliner Koalitionsverhandlungen waren sich die CDU- und SPD-Frauen einig, daß das Frauenmuseum Unterstützung verdient, und aus dem Bundesfrauenministerium unter Claudia Nolte (CDU) kommen ebenfalls positive Signale.

Dort liegt derzeit ein Antrag, Geld zur Erarbeitung eines Gesamtkonzepts zur Verfügung zu stellen. Die Umrisse dafür stehen bereits. Ein weiterer geplanter Schwerpunkt des zukünftigen Museums, so werden die Frauen schreiben, sei die Aufarbeitung des unterschiedlichen weiblichen Alltags in BRD und DDR – ein ebenfalls bundesweit einmaliges Vorhaben, das naturgemäß nirgendwo anders besser realisiert werden kann als in der ehemals geteilten Stadt. Ute Scheub

Kontakt: Birgit Jochens, Tel.: 030-3430-3201 und Brigitte Kippe, Tel.: 030-3430-2690