■ Das Portrait
: Der Versöhner

Portugals neuer Präsident Jorge SampaioFoto: Reuter

Sein Körper, sagt Jorge Sampaio, sei voller blauer Flecken von den vielen Umarmungen. Im Wahlkampf haben ihn Fischverkäuferinnen in Porto geherzt und Finanzbeamtinnen in Lissabon. Lehrer haben ihn ebenso umarmt wie Lagerarbeiter. Und am Sonntag wählten sie den Sozialisten Sampaio zum neuen portugiesischen Staatspräsidenten. Mit dem Slogan „Einer für alle“ hatte er um Stimmen geworben. 53,8 Prozent der WählerInnen gaben sie ihm.

Der Sieg über seinen rechtsliberalen Mitbewerber Anibal Cavaco Silva bedeutet für Sampaio auch ein Stück ausgleichende Gerechtigkeit. Denn bei der Parlamentswahl 1991 mußte sich der damalige Chef der Sozialistischen Partei (PS) und Oppositionsführer Sampaio dem damaligen Ministerpräsidenten Cavaco haushoch geschlagen geben. Nach seiner Wahlschlappe wurde er wenig später von António Gutérres als PS-Chef verdrängt. Nun, gut vier Jahre später, ist Gutérres Ministerpräsident und Sampaio Staatspräsident. Und die beiden einstigen innerparteilichen Rivalen werden künftig gemeinsam die Geschicke Portugals bestimmen.

Daß Sampaio die Parlamentswahl 1991 verloren und nun die Präsidentschaftswahl gewonnen hat, paßt zu seinem Persönlichkeitsprofil. Der 56jährige Rechtsanwalt ist kein Polarisierer, sondern wirkt versöhnend wie ein alter Humanist – ohne allerdings vor Charisma zu sprühen. Daß der verheiratete Vater zweier Kinder „Präsident aller Portugiesen“ sein will, glaubt man ihm aufs Wort. Und so kam es, daß sich der Zeithistoriker Fernando Rosas, der bei der Parlamentswahl für die trotzkistische PSR kandidierte, ebenso für Sampaio stark gemacht hat wie der einstige Fraktionsvorsitzende der christdemokratischen Volkspartei (PP), Narana Coissoró.

Von 1989 bis kurz vor seiner Wahl zum Staatspräsidenten war Sampaio an der Spitze einer Koalition aus Sozialisten und Kommunisten Bürgermeister von Lissabon. Seine Kandidatur für das höchste Staatsamt hatte er in der Lissaboner Universität angekündigt. Für ihn ein symbolischer Ort: Während der faschistischen Diktatur in Portugal hat sich der damalige Jura-Student Sampaio für Demokratie und Freiheit eingesetzt und war deshalb 1962 kurze Zeit im Gefängnis. „Ich bin ein alter Demokrat“, sagt er heute, „und stolz auf meine Vergangenheit.“ Nun darf er am 9. März das Amt von Mário Soares übernehmen. Theo Pischke