■ Premierminister und Präsident in Portugal sind Sozialisten
: Alle Eier in einem Korb

Mit der Wahl von Jorge Sampaio zum Staatspräsidenten hat Portugal das Kapitel des „Cavacismus“ endgültig geschlossen. Bei der Parlamentswahl im Oktober hatte die rechtsliberale Sozialdemokratische Partei (PSD), die zehn Jahre allein an der Macht war, die Mehrheit verloren. Die Sozialistische Partei (PS) übernahm die Regierung. Anibal Cavaco Silva, zehn Jahre lang PSD-Vorsitzender und Ministerpräsident, war zur Wahl jedoch erst gar nicht angetreten. Die Wahlniederlage mußte sein Nachfolger im Amt des PSD-Chefs schlucken. Erst nach der Parlamentswahl erklärte Cavaco seine Kandidatur für die Staatspräsidentschaft. Im Vertrauen auf den Volksmund, wonach die auf Ausgleich bedachten Portugiesen nicht gern „alle Eier in einen Korb“ legen, glaubte Cavaco wohl, einem sozialistischen Ministerpräsidenten würden die Wähler ihn als Staatspräsidenten gegenüberstellen. Doch diese Rechnung ging nicht auf. Und Cavaco mußte bei der Präsidentschaftswahl die Niederlage einstecken, der er bei der Parlamentswahl ausgewichen war.

Cavaco war 1985 mit einer „Mission“ gestartet: Er wollte aus dem als westeuropäisches Armenhaus verschrienen Portugal ein „modernes und entwickeltes Land“ machen. Eine wichtige Voraussetzung dafür hatte er: politische Stabilität. Und mehr Geld als seine Vorgänger hatte er auch. Nach dem EU-Beitritt Portugals begannen die Euro-Fonds aus Brüssel zu fließen. Cavaco verwandelte sie in Beton und Teer, ließ Straßen und Brücken brauen. Doch Macht macht müde und arrogant, wenn sie zu lange dauert. Aus Stabilität wurden Korruption und Vetternwirtschaft. Ein Fortschrittsbegriff, der sich wie bei Cavaco im Straßenbau erschöpft, reißt die Menschen auf Dauer nicht mit. Der „Cavacismus“ war ausgepowert.

Die Portugiesen haben sich für einen radikalen Wechsel entschieden. Gegen den Technokraten Cavaco, für den humanistischen Bildungsbürger Sampaio. Mit Cavaco im Präsidentenpalast hätte Ministerpräsident Guterres einen ständigen Störfaktor im Nacken gehabt. Denn der Staatschef kann der Regierung viele Knüppel zwischen die Beine werfen und sie sogar zu Fall bringen, steht Guterres doch nur an der Spitze einer Minderheitsregierung. Sampaio ist dagegen ein Stabilitätsfaktor, aber auch kein bequemer Jasager. Theo Pischke, Lissabon