CDU-Delegierte buhten Diepgen aus

Die Parteitage von SPD und CDU segneten die Koalitionsvereinbarung ab. Heftige Kritik an CDU-Chef Diepgen. SozialdemokratInnen signalisieren Gemeinsamkeit  ■ Von Severin Weiland und Dirk Wildt

Berlin (taz) – Die StrategInnen der Berliner CDU hatten sich geirrt. „Wir werden schneller fertig sein als die Sozialdemokraten“, hatte es noch am Mittwoch abend vor Beginn der Parteitage von CDU und SPD geheißen. Am Ende segneten zwar die Delegierten beider Parteien die neue Koalitionsvereinbarung ab. Doch als die SozialdemokratInnen bereits in Scharen die Kongreßhalle am Alexanderplatz verließen, redeten sich die ChristdemokratInnen 200 Meter entfernt im gediegenen Ambiente des Roten Rathauses noch die Köpfe heiß.

Zorn hatte vor allem der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen auf sich gezogen, der erst wenige Stunden zuvor dem Druck der SPD nach einem fünften Senatsposten nachgegeben hatte. Statt, wie bereits am Wochenende vereinbart, nur neun SenatorInnen zu stellen, wird die künftige Regierung nun aus zehn Mitgliedern und dem Regierenden bestehen. Besonders schmerzvoll empfanden Teile der CDU-Basis den Verlust des Finanzressorts, für das im Gegenzug die SPD Bauen abgeben mußte. Man sei „an den Rand der Selbstverstümmelung“ gegangen, schimpfte ein CDU-Delegierter.

Auf Parteitagen hält sonst eine geschickte Regie die Kritik im Zaume, doch diesmal machte sich der Unmut Luft. Mehrmals wurde Diepgen von Buhrufen und provozierendem Applaus unterbrochen. Energisch mußte er Forderungen nach Nachverhandlungen oder gar Neuwahlen entgegentreten. Die Partei müsse zur Kenntnis nehmen, so Diepgen, daß die CDU trotz des Wahlergebnisses von 37 Prozent „gegen eine linke Mehrheit in der Stadt und im Abgeordnetenhaus“ zu regieren habe. Zur Beruhigung des rechten Flügels, der ihm den – von der SPD geforderten – Abgang des umstrittenen Innensenators Dieter Heckelmann übel nahm, präsentierte er mit Jörg Schönbohm einen Konservativen als Nachfolger. Am Ende stimmten dann doch vier Fünftel der Delegierten dem Koalitionsvertrag mit der SPD zu.

Die SozialdemokratInnen dagegen feierten das Koalitionsergebnis. Selbst GegnerInnen einer Großen Koalition wie der Abgeordnete Hans-Georg Lorenz billigten ihrer Verhandlungskommission zu, „das Maximum“ herausgeholt zu haben. Die Sprecherin der Parteilinken, Monika Buttgereit, lobte, daß die SPD nach bald 24 Jahren wieder den Schulsenator stellen wird.

Als SPD-Fraktionschef und Verhandlungsführer Klaus Böger das Mikrofon ergriff, herrschte fast gespenstische Stille im Saal. Er war in den vergangenen Tagen für das anfangs erreichte Ergebnis heftig gescholten worden. Doch nach dem Erfolg am Mittwoch nachmittag drehte Böger abends den Spieß um und nahm die eigene Partei in die Mangel. Nach dem katastrophalen Wahlergebnis vom Oktober dürfe es in der Berliner SPD kein „Weiter so“ geben. So sei es etwa „unverantwortlich“, Dinge zu beschließen, die man nicht durchsetzen könne. Der Fraktionschef wurde trotz der Kritik, mit der er die Parteilinke meinte, kein einziges Mal unterbrochen. Und offenbar wollten die Delegierten mit ihrem Applaus zeigen, was ihnen ansonsten abgeht: Gemeinsamkeit. Eine traurige Figur machte dagegen die ehemalige Spitzenkandidatin Ingrid Stahmer, der in den vergangenen Tagen schlechte Chancen für einen Posten im neuen Senat eingeräumt wurden. Entgegen der Aufforderung ihres Fraktionsvorsitzenden, an diesem Abend Personalia auszusparen, reklamierte sie indirekt für sich das erst wenige Stunden zuvor hinzugewonnene fünfte Ressort. Zwei Drittel der Delegierten stimmten schließlich für den Koalitionsvertrag.