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Hühner, wollt ihr ewig legen?

Die „Deutsche Frühstücksei“ hält 300.000 „Gutshof“-Hennen bei Bodenhaltung in bester Laune. Nach einem Jahr sind die Legehennen Suppenhühner  ■ Im Stall: Andreas Becker

Die Zahl ist so unvorstellbar, daß Freunde es nicht glauben wollten. Ich sei in einer Hühnerfarm mit 700.000 Viechern gewesen? Denen hau ich meine Fakten um die Ohren, rief der kleine Markwort in mir: Ihr habt ja keine Ahnung, wie viele Eier ihr statistisch eßt. 310 Eier pro Kopf und Jahr vertilgten die DDRler. Die Wessis begnügten sich mit 230 Eiern, gesamtdeutsch ist die Zahl inzwischen nun auf 210 gesunken. Diverse Eierskandale, vor allem um den Aldi-Hühnerbaron Pohlmann, versauten das Image. In Berlin werden trotzdem rund 2 Millionen Stück täglich verbraucht.

Die „Deutsche Frühstücksei“ in Bestensee bei Königs-Wusterhausen, die eine der größten DDR- Hühnerfabriken übernahm, aus der schon damals in die BRD exportiert wurde, liefert mehr als ein Viertel davon. „Hier kommen öfter mal Berliner vorbei, die unsere Adresse auf einer Eierpackung gelesen haben, und wollen sich bei uns umschauen. Die sind uns auch willkommen“, so Marianne Wieland vom Vertrieb. Das Besondere: In Bestensee leben rund 300.000 der Legehennen in sogenannter Bodenhaltung. Diese sanfte Form des Hühner-KZ, wie Tierschützer immer noch gern sagen, gibt den Hühnern relativ viel Bewegungsfreiheit. So viel, daß in Bestensee schon Schulklassen gemeinsam mit dem Berliner Tierschutzverein rumgeführt wurden.

Frau Wieland und Martin Kroschel, zuständig für die Kückenaufzucht, steigen mit mir ins Auto. Nach rund zehnminütiger Fahrt über das zig Hektar große Gelände landen wir bei einer der Vorzeigehallen mit Bodenhaltung. Nach dem Überqueren der Seuchenmatte stehen wir im Vorraum des Stalls, in dem sich 7.000 Hühner befinden. Ingenieurin Heidemarie Peetz, seit 1968 in der Eierproduktion, sortiert gerade Eier vom Fließband in Kartons, die von hier per Lkw in die eigentliche zentrale Verpackungs- und Sortierhalle gebracht werden. Peetz: „Zu DDR- Zeiten haben wir mehr gebracht pro Henne. Da gab's aber auch keine Bodenhaltung. Hier fällt schon mal ein Tier in den Kotbunker und verendet. Das passiert bei der Käfighaltung nicht, da habe ich jedes Ei auf dem Eierband.“ Die Stallungen werden immer nur komplett mit Hennen bestückt. Nach 72 Lebenswochen heißt es: Hühner wollt ihr ewig legen? Der Stall wird entkotet, desinfiziert, und es gibt 7.000 Suppenhühner mehr.

Um ein Ei teuer als „bodengehalten“ zu verkaufen, dürfen sich nicht mehr als sieben Hühner auf einem Quadratmeter auf die Krallen treten. Der Stall wird von einem Computer, der auch das Futter verteilt, konstant auf 20 Grad gehalten. Hier drinnen herrscht ein strenger Geruch. Herr Kroschel: „Sie sehen ja, die Tiere fühlen sich hier wohl. Haben genügend Freßfläche, ihre Schlafplätze und die Möglichkeit, wenn es ihnen ankommt, ein Ei zu legen, bequem in die Nester zu gehen. Bei schönem Wetter sind die Tiere draußen. Sie sehen ja, die haben die Möglichkeit hier im Stall zu scharren, hochzufliegen, sich auszuruhen.“ Die Käfighaltung möchten mir die beiden am liebsten ersparen: „Wollen Sie nicht lieber die Kücken sehen?“ Nach einer weiteren Autofahrt erreichen wir eine der Kückenhallen. 130.000 Kücken in einer Halle. Auf Stroh und mit Sitzstangen werden die Hühner hier 16 Wochen auf ihr Luxusleben in Bodenhaltung vorbereitet. Im Gegensatz dazu werden Käfighühner auch schon in den ersten Lebenswochen eingesperrt.

Im Endeffekt liegt die Entscheidung beim Verbraucher: Wer Eier für 20 und weniger Pfennig kauft, unterstützt die Käfighaltung, bei der 40.000 Hühner in einer Halle „leben“. In der DDR wurden übrigens nur weiße Hühner gehalten. Heute bevorzugen die Verbraucher braune Eier, weil die irgendwie mehr nach Natur aussehen. „Glückliche“ Eier aber können auch weiß sein, diese wiederum können aber von braunen Hennen stammen. Denn welche Farbe die Eier haben, erkennt man am Ohrläppchen der Hühner.

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