Der Schwamm Gottes Von Ralf Sotscheck

Herzlichen Glückwunsch, Auto! Am vergangenen Mittwoch ist die Nuckelpinne hundert Jahre alt geworden. Deshalb kam der Kirchenrat im englischen Coventry auf die grandiose Idee, in der Kathedrale einen Autogottesdienst abzuhalten. Natürlich ging das nicht glatt.

Es fing schon damit an, daß der Coventry-Daimler aus dem Jahr 1897 die tausendköpfige Gemeinde fast vergiftet hätte, als er sich zu den Klängen der Rolls- Royce-Band keuchend den Kirchgang in Richtung Altar schleppte. Es dauerte eine Weile, bis die Autoanbeter sich erholt hatten. In der Zeit dämmerte es Pfarrer John Petty offenbar, daß Gott womöglich Fußgänger ist, und er entschuldigte sich bei ihm für all die Umweltverschmutzung, die die heilige Blechkiste angerichtet hat. Die geladenen Ehrengäste aus der Autoindustrie wurden blaß. Aber es kam noch schlimmer. Die StudentInnen der Universität Coventry, die ein kleines Schauspiel aufführen sollten, knallten munter ein paar alte Autoteile aneinander. Zu dieser Musik besangen sie das Auto als „Nest für Liebespärchen, die auf dem Rücksitz knutschen, bis die Stoßdämpfer hinüber“ seien. Da wurden die Pfaffen blaß.

Endgültig ruiniert war die schöne Feier jedoch, als die 28jährige Angel Koyunti nackt – ihre Haut mit ketzerischen, autofeindlichen Sprüchen bemalt – in die Kirche stürmte und eine alternative Litanei aufsagte. „Im Namen Lady Godivas“, brüllte sie, „ich bin hier, um den Tod meiner Mutter und siebzehn Millionen anderer Menschen zu betrauern, die durch das Auto getötet worden sind. Mutter Erde, vergib uns.“ Lady Godiva war eine Gräfin, die im elften Jahrhundert nackt durch die Straßen Coventrys ritt, um für Steuerermäßigungen zu demonstrieren. Ihre Nachfolgerin versuchte, sich an die Kanzel zu ketten, und forderte einen Gottesdienst für Waschmaschinen. Die Bischöfe, die hinter einem Elektroauto in die Kirche marschiert waren, während der Kirchenchor das Kreischen von Bremsen nachahmte, waren wie versteinert. Erst die Polizei erlöste sie von dem Anblick: Angel Koyunti wurde in einen polizeilichen Regenmantel eingewickelt, aus der Kirche geführt und nach Paragraph 2 des Kirchenaktes aus dem Jahr 1860 verwarnt. Die Industriebosse suchten schnell das Weite. Irgendwie war der Tag nicht so verlaufen, wie sie sich das vorgestellt hatten.

Dabei ist die Idee ja nicht schlecht. Immer weniger Menschen gehen in die Kirche, aber immer mehr fahren Auto – in Großbritannien sind 21,3 Millionen Fahrzeuge auf der Straße. Da liegt es doch auf der Hand, eine ökumenische Drive-in-Kirche einzurichten. Coventry würde sich dafür hervorragend eignen, sieht das Bauwerk doch ohnehin wie eine Autofabrik aus. Am Eingang könnte man einen Hostienautomaten aufstellen. An der Sankt-Opel- Theke könnten sich die Gläubigen mit Weihwasser und Weihenstephaner versorgen, bevor sie am Scheideweg stehen: links zum vollen Service mit Kommunion, Beichte und Sündenvergebung, rechts der Schnellservice mit Segen zum Sonderpreis und Vaterunser vom Band. Für eine Kindstaufe gäbe es im Seitenschiff eine Einfahrt in eine Art Autowaschanlage. Man müßte das Kind nur aufs Dach schnallen, und der Schwamm Gottes erledigt den Rest.