Kein „lebenslänglich“ für Birgit Hogefeld!

■ Die Anwälte der Ex-RAF-Aktivistin kritisieren das Ende der Beweisaufnahme

Frankfurt am Main (taz) – Mit einem vom „Komitee für Grundrechte und Demokratie“ initiierten Aufruf haben sich UnterzeichnerInnen aus dem linken und linksliberalen Spektrum gestern gegen eine lebenslange Haftstrafe für Birgit Hogefeld gewandt. Gegen die 1993 in Bad Kleinen festgenommene frühere Aktivistin der Roten Armee Fraktion (RAF) verhandelt seit November 1994 der 5. Strafsenat des OLG Frankfurt unter anderem wegen vierfachen Mordes und mehrfachen Mordversuchs. Hogefeld gehörte vor der Festnahmeaktion, in deren Verlauf ihr Lebensgefährte Wolfgang Grams auf nach wie vor ungeklärte Weise getötet wurde, zu der Untergrundgruppe der RAF, die 1992 mit einer „Deeskalationserklärung“ den Verzicht auf weitere tödliche Anschläge ankündigte. Der „Automatismus“ lebenslanger Freiheitsstrafen gegen RAF-Gefangene müsse durchbrochen werden, heißt es in dem Aufruf. Für die Verteidigung überraschend hatte der Gerichtsvorsitzende Erich Schieferstein im Prozeß gegen Hogefeld kürzlich das Ende der Beweisaufnahme angekündigt. Heftige Kritik übten Hogefelds Anwälte insbesondere an der Behandlung der Anklagepunkte „Bad Kleinen“ und „Pimental/Airbase“. Die Angeklagte soll nach dem Willen der Bundesanwaltschaft wegen Mordes an dem GSG-9-Beamten Michael Newrzella in Bad Kleinen verurteilt werden, obwohl Birgit Hogefeld bereits gefesselt in der Unterführung des Bahnhofs lag, als oben die ersten Schüsse fielen. Ihre „Mittäterschaft“ basiert nach Auffassung der Anklage auf der Praxis der RAF, sich in Festnahmesituationen den Weg notfalls auch mit tödlichen Schüssen freizuschießen. Ob diese Absprache auch noch nach der Deeskalationserklärung Bestand hatte, ist indes völlig offen. Gegenüber Klaus Steinmetz, dem mutmaßlichen Genossen und tatsächlichen V-Mann, hatte Hogefeld zwei Monate vor ihrer Verhaftung versichert, in einer Festnahmesituation würde sie „Polizisten nicht erschießen, aber die Waffe benutzen, um wegzukommen“. Diese in den Akten enthaltene Aussage des V-Manns hat das Gericht bisher nicht interessiert.

Die dreifache Mordanklage wegen der Erschießung des 20jährigen GIs Edward Pimental und des nachfolgenden Sprengstoffanschlags an der US-Airbase in Frankfurt schob die Bundesanwaltschaft erst im März 1994 nach. Die Indizienlage, wonach Hogefeld Käuferin eines bei dem Anschlag verwendeten Pkw sein soll, ist nach Ansicht der Verteidigung äußerst dürftig. Am heutigen Verhandlungstag soll deshalb eine Serie von Beweisanträgen gestellt werden. Gerd Rosenkranz