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SanssouciNachschlag

■ Wiglaf Droste und Simone Borowiak in der Volksbühne

Der Dichter und sein Mikrofon Foto: Rolf Zöllner

Deutsch kann schön sein. Man muß nur in ein wenig älteren Duden stöbern und den Dialekten lauschen. Dann entdeckt man mitunter Wörter, die ausdrucksfähiger sind als vieles, womit man sich sonst verständigt. „Wohlfeil“ ist so ein Wort oder „gschamig“, dazu unregelmäßige Präteritumsformen: wenn der Bäcker Brot buk und nicht backte. Sagt kein Mensch mehr, außer Wiglaf Droste, bei dem aus sprachlichen Schmankerln schöne Geschichten werden. Wie die aus dem Bioladen, wo es nach „Geiz und Getreide müffelt und geschlechtsneutral aussehende Figuren Reisschleim im Tofurand verkaufen“. Das ist politisch unkorrekte Polemik, wohlformuliert, wie Drostes Fans es schätzen.

Überhaupt hatte Droste einen guten Abend erwischt und ein gutes Publikum, das selbst über zotige Schüttelreime und seinen Heiner-Müller-Nachruf herzlich lachen konnte: „Heiner Müller – du alter Gesell, das schönste an dir war dein Brillengestell.“ Da paßte es gut, daß er am Montag mit der Titanic-Autorin Simone Borowiak eine Nachruferin vor dem Herrn im „Benno-Ohnesorg-Theater“ zu Gast hatte, die auf hessisch nachlegte: „Liebe Leute, seien wir ehrlich, der Rühmann Heinz – der ist entbehrlich. Drum macht den Deckel ganz fest zu, sonst singt er wieder LiLaLu.“ Gelungene Überleitungen: Als in Drostes Fortsetzung zu „Vom Winde verweht“ die letzte Kugel aus Scarlet O'Haras Colt im Sack von Rhett Butler landete, blieb Borowiak mit ihrer Geschichte von Pastor Penis ebenfalls in Hodennähe.

„Hoden“ hieß das eine große Leitmotiv dieses Abends, das andere war der Focus-Chef Helmut Markwort. Bei Borowiak nur noch „Professor Markwort“, der bei „Germknödel Bachmann“ im ICE-Bordrestaurant gen Klagenfurt reist und gemeinsam mit Baronesse Bibi in Bonn den pfälzischen Kanzlermörder sucht. Etwas pointierter (und vernehmlicher) hätte Borowiaks Vortrag an diesem Abend schon sein können, doch auch so gab sie mit Droste ein prima Paar ab – beide mit Lust an sprachlicher Archäologie und dem Vermögen, auch aus dem geläufigen Rest der Sprache noch wunderschöne Wörter zu basteln. Oliver Gehrs

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