Die Waffen halb nieder!

■ Mitchell-Kommission zur Lösung des Nordirland-Konflikts legt Bericht vor

Dublin (taz) – Die Zielvorgabe war die Quadratur des Kreises. Es wird sich herausstellen, ob das gelungen ist, wenn die Regierungen in London und Dublin heute vormittag den Bericht der Mitchell- Kommission zu Nordirland veröffentlichen. Es geht darin vor allem um die Waffen der Irisch-Republikanischen Armee (IRA). Sinn Féin, der politische Flügel der IRA, will darüber im Rahmen von Allparteiengesprächen verhandeln, die britische Regierung hat die Ausmusterung der Waffen jedoch zur Vorbedingung für den Runden Tisch gemacht. Nun schlägt die Kommission ersten Informationen zufolge offenbar einen Mittelweg ein: Sie erklärt die britische Position einer Ausmusterung der Waffen als Vorbedingung für Gespräche für unpraktikabel. Die prinzipielle Bereitschaft, die Waffen im Zuge einer umfassenden Lösung abzugeben, müsse ausreichen, heißt es.

Der 23seitige Bericht, den die Kommission am Montag abend der britischen und der irischen Regierung übergab, wird zwar erst heute veröffentlicht, doch der Inhalt ist bereits durchgesickert. Seit Mitte Dezember berieten der frühere US-Senator George Mitchell, Finnlands Ex-Premier Harri Holkeri und der kanadische General John de Chastelain über einen Ausweg aus der Sackgasse, in die das Nordirland-Problem im Zuge des Waffenstreits geraten war. Zwar ruhen die Waffen in der britischen Krisenprovinz seit fast anderthalb Jahren, doch einer politischen Lösung ist man seitdem kaum näher gekommen. Die Stimmen, die vom Scheitern des Friedensprozesses sprechen, sind immer lauter geworden.

Wie verlautet, bezieht sich die Mitchell-Kommission in ihrem Bericht auf die sogenannte Downing- Street-Erklärung der Premierminister von Großbritannien und Irland vom Dezember 1993, die den Friedensprozeß in Gang setzte. In der Erklärung war von einer Herausgabe von Waffen keine Rede. Wer der Gewalt für immer entsage, hieß es, dürfe „an der demokratischen Politik gleichberechtigt teilnehmen und in den Dialog mit den beiden Regierungen und den politischen Parteien einsteigen“.

Allerdings gibt es für Sinn Féin auch ein paar Wermutstropfen: So betont Mitchell das Prinzip der Einmütigkeit, wonach eine politische Vereinbarung nur unter Zustimmung aller Verhandlungspartner getroffen werden kann. Dieses Prinzip hat Sinn Féin offiziell nie akzeptiert, da es die Zustimmung der protestantischen Bevölkerungsmehrheit Nordirlands voraussetzt und daher auf eine mögliche Anerkennung des Fortbestehens der irischen Teilung hinausläuft. Wichtig sind für Mitchell ferner verschiedene vertrauensbildende Maßnahmen, darunter die Beendigung der von der IRA bisher praktizierten Hinrichtungen von angeblichen Drogenhändlern und Strafaktionen gegen „asoziale Elemente“. Den Stopp beider Aktionen soll die IRA allerdings vor zwei Wochen angeordnet haben. Darüber hinaus solle man sich auch rasch um die Frage der Gefangenen und um die Polizeireform kümmern.

Was die gewählte nordirische Versammlung angeht, die von den protestantischen Unionisten vorgeschlagen und von Sinn Féin abgelehnt wurde, ist Mitchell vorsichtig. Das gehöre nicht zu seinem Auftrag, schreibt er, doch er könne sich vorstellen, daß solch ein Miniparlament den Friedensprozeß vorantreiben könnte, vorausgesetzt, es wird von allen Seiten akzeptiert. In einem Seitenhieb auf London bemerkt die Kommission, daß die Bedeutung des Waffenstillstands bisher gar nicht richtig gewürdigt worden sei. Mitchells größte Sorge war es, daß sein Bericht eher Teil des Problems als Teil seiner Lösung werden könnte. Deshalb hat er ihn mit Samtpfötchen geschrieben. Jeder Satz ist überaus vorsichtig formuliert. Jetzt hängt alles davon ab, wie die Beteiligten darauf reagieren. Die Antwort der extremen „Demokratischen Unionisten“ des Pfarrers Ian Paisley liegt bereits vor – sie haben erst gar nicht mit der Kommission geredet. „Wir wollten das Problem nicht internationalisieren“, sagte Paisley- Stellvertreter Peter Robinson, „denn dann kann man sich bei anderen Themen nicht mehr gegen eine Internationalisierung wehren.“ Und im Handumdrehen wäre die Grüne Insel vereinigt. Das wagt wohl nicht mal Gerry Adams zu hoffen. Ralf Sotscheck