Umverteilen, aber wie?

■ Mit höheren Steuern und Sozialabbau mehr Jobs

Berlin (taz) – Die obersten Wirtschaftslenker kennen derzeit nur ein Rezept zur Schaffung von Arbeitsplätzen: Die Arbeitgeber sollen entlastet werden, die Lohnnebenkosten müssen runter. Die Umverteilung von Arbeit ist out, jetzt ist die Umverteilung von Einkommen angesagt. Doch unter der Kohlschen Regierung sind die Einnahmen auf seiten des Kapitals bereits kräftig gestiegen zulasten der Arbeitnehmer. Seit 1982 ist der Anteil der Einnahmen aus unselbständiger Arbeit am gesamten Volkseinkommen von 87 auf unter 79 Prozent gefallen. Am Arbeitsmarkt ist diese Umverteilung bekanntlich vorbeigegangen.

Wahr ist, daß die Unternehmer angesichts enormer Zusatzkosten wenig Anreiz haben, ihr zusätzliches Geld in die Schaffung von Arbeitsplätzen zu stecken: 41,3 Prozent der Arbeitskosten gehen für die Sozialversicherung drauf. Schuld daran ist vor allem die Bonner Regierung selbst. Seit 1990 sind allein fast 100 Milliarden Mark in die neuen Bundesländer geflossen, die Arbeitgeber und -nehmer aufbringen mußten. Würden die Lohnnebenkosten auf 39 Prozent gedrückt, brächte das den Unternehmern 15 Milliarden Mark.

Das Geld dafür muß allerdings irgendwoher kommen. So könnte die Regierung die Sozialleistungen kürzen – Einschnitte in Arbeitslosen- und Sozialhilfe sind nicht mehr tabu. In Bonn liegen konkrete Vorschläge auf den Tischen, Rentenansprüche von Aussiedlern und Ansprüche, die durch Ausbildungszeiten entstehen, zu kürzen: Das würde 20 Milliarden Mark jährlich sparen. Die Rentenversicherungsbeiträge könnten um zwei Prozent gesenkt werden. Auch Einsparungen bei Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Beihilfe zu Kuren, Mutterschaftsgeld und Steuerfreibeträgen für Sonntagszuschläge finden sich bereits in Arbeitspapieren der Koalitionsparteien.

Natürlich könnten auch Subventionen gekürzt werden. Doch das hat die Koalition in den letzten 13 Jahren nicht geschafft – es gibt wenig Hoffnung, daß es jetzt klappt. Die einzig schnell umsetzbare Maßnahme wäre die Erhöhung der Mehrwertsteuer. Ein Prozent mehr würde schon acht Milliarden Mark in die Kassen des Bundes spülen. Die Verbraucher würden so für die Lohnkostensenkung aufkommen müssen. Doch unisono verkündeten Kohl, Rexrodt und Waigel am Montag, daß sie das keinesfalls wollten.

Konjunkturexperte Heiner Flassbeck vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung hat noch ein weiteres Rezept parat, eines, das überhaupt nicht in die derzeit vorherrschende Ideologie paßt: Der Staat müßte in einer so üblen konjunkturellen Situation, in der die Steuereinnahmen sänken und die Ausgaben wegen der hohen Arbeitslosigkeit stiegen, schlicht ein höheres Defizit hinnehmen. Und das heißt: Abschied nehmen von dem Dogma, 1999 mit strikt begrenzten Defiziten in die Europäische Währungsunion zu starten. lieb/ten