Sechsmal Moculescu

Der ASV Dachau bewies gegen Modena, daß er mit den besten Teams Europas mithalten kann  ■ Aus Dachau Holger Gertz

Am Ende, auf der Pressekonferenz im Hinterstübchen der Dachauer Volleyballhalle, hat Stelian Moculescu die Sache wieder selbst in die Hand genommen. Es analysierte der Trainerkollege Daniele Bagnoli, warum seine Männer aus Modena gerade 1:3 verloren hatten gegen den ASV Dachau in der Champions League, und er tat es so wortreich, daß die Übersetzerin kaum mit dem Übersetzen nachkam. Also sprang der polyglotte Moculescu ein, und was er den Zuhörern ins Deutsche übersetzte, wird ihm selbst am meisten geschmeichelt haben: „Dachau war die bessere Mannschaft“; „Dachau hat verdient gewonnen“; seinem Team dagegen, ließ Bagnoli ausrichten, habe „die Konzentration gefehlt und der Wille“.

Vor allem hatten seiner Mannschaft der Mittelblocker Bas van de Goor gefehlt und der Angreifer Luca Cantagalla, deren Ersatzleute Massimiliano Russo und Gianluca Nuzzo eher Ergänzungsspieler sind, wie moderate Coaches in solchem Fall gern formulieren. „Wenn van de Goor und Cantagalli dabeigewesen wären, hätten wir es schwerer gehabt“, sprach Moculescu, allzusehr trüben wird deren Absenz seine Freude aber nicht. Warum auch, die Männer aus der Münchner Vorstadt haben dreimal gespielt in der neugeschaffenen Champions League und dreimal gewonnen, zuvor bei Hapoel Haamakim (Israel) und bei Panathinaikos Athen. 6:0 Punkte, wenn das so weitergeht, dürfen sie am 10. März beim Final-Four-Turnier in Bologna teilnehmen.

Ein Imagegewinn für die lange darbende Pritscherzunft im Land: „Ich denke, daß wir geholfen haben, dem Volleyball verschlossene Türen zu öffnen“, sagt Moculescu und wird die Zugänge zu werbender Wirtschaft und den Medien gemeint haben. Der Bayerische Rundfunk brachte noch am Abend eine halbstündige Zusammenfassung, schon vor zwei Wochen funkten die Stationen ausgiebig wie lange nicht, als das deutsche Frauenteam sich in Bremen für Olympia qualifizierte. Einen „positiven Trend“ macht Männerbundestrainer Olaf Kortmann aus, in Dachau Zeuge des großen Spiels: „Man spricht wieder gut von Volleyball.“

Moculescu, 45, hat das Seine dazu beigetragen, denn es ist ihm ein unerträglicher Gedanke, wenn sein Sport geringgeschätzt wird. In der rumänischen Nationalmannschaft hat er gespielt, nach seiner Flucht 1972 in der deutschen, gewann als Steller viermal die Meisterschaft mit 1860 München, übernahm als Trainer die Nationalmannschaft, coachte zeitgleich den TSV Milbertshofen. Er wollte ganz nach oben, seinem Anspruch konnten einige Volleyballer nicht genügen. Dauernd gab es Krach, viele mochten mit dem Polterer im Maßanzug nichts zu tun haben; es entstanden aus tiefstem Herzen empfundene Feindschaften. 1990 warf er den Bettel in der Nationalmannschaft hin, ein Jahr später gewann er mit den Milbertshofenern den deutschen Titel, ein paar Tage darauf war auch da alles aus. Der Klub zog die Volleyballer aus der Bundesliga zurück, weil fortan alle Kraft auf Handball konzentriert werden sollte. Moculescu nahm ein paar Spieler mit und emigrierte nach Dachau.

Ob das gutgehen könne, der Perfektionist in der Provinz, haben alle gedacht, und lange sah es so aus, als ginge es nicht gut. Sponsoren schafften der Trainer und sein Präsident Rudi Scherer zwar herbei, aber es mochte keine Mannschaft wachsen, bis vor zwei Jahren endlich welche kamen, die „heiß waren, was zu reißen“, wie Moculescu sagt. Dirk Oldenburg kam aus Hamburg, Sandor Kantor aus Ungarn, Frank Reimann aus Falconara/Italien, wo er es nicht geschafft hatte, in die erste Mannschaft zu kommen. Seitdem paßt es, mit dem emsigen Zuspieler Mathias Häberlein, dem Mittelblocker Martin van der Horst, 215 Zentimeter von der Sohle bis zum Haupt, und dem jungen Klaus Dammann hat sich ein Kollektiv gefunden, daß die Qualitäten des Coaches zu den eigenen gemacht hat: kämpfen, schinden, alles rauslassen auf dem Parkett. Bei Dachau spielen sechs Moculescus.

Längst lockt der Zirkus auch die Menschen herbei. Gegen Modena drängten sich 2.200 Leute in der Halle, „Wir hatten Zuschauer- und Einnahmerekord“, sagt Moculescu, der sich sogar ein paar Mark Gewinn aus der Champions League verspricht, die anfangs ein Zuschußgeschäft zu werden drohte, der vielen Auswärtsfahrten wegen. Die nächste treten sie nicht mehr allein an. Zum Spiel in Salzburg kommenden Mittwoch hat der ASV einen Reisebus für die Fans gechartert. Man hört, vielleicht sei sogar ein zweiter nötig, um die gestiegene Nachfrage zu befriedigen.