Eine Art Wasser-Aerobic

Vor Jahren noch pflügten Schwimmbadbesucher kraulend durchs Becken, jetzt ist Aqua-Fitneß gefragt: gelenkschonend, wohltuend, formschön  ■ Von Lennart Paul

Die Liegestühle rund um das Schwimmbecken sind belegt. Nach dem Saunagang ist Entspannung angesagt, das Wasser und die Gespräche plätschern träge. Ein Mann mittleren Alters gesteht seinem Begleiter, daß er sich gerade durch den neuen Grass-Roman müht, ein Pärchen unterhält sich über englische Sportwagen.

Beinahe gleichzeitig verstummen die Gespräche. Die Augen der meisten Gäste richten sich auf das fast leere Schwimmbecken. Da hält ein Mann eine Frau über Wasser. Sie liegt auf dem Rücken, er stützt mit seinem linken Arm den Hinterkopf ab, während die andere Hand die rechte Kniekehle hält. Eine Rettungsaktion? Nein, das Wasser ist an allen Stellen des Beckens doch nur schultertief. Und die Frau sieht völlig entspannt aus. Sie atmet langsam und ruhig durch den leicht geöffneten Mund, die Nase ist durch eine Klemme verschlossen. Der Mann beginnt, die Frau zu bewegen, ohne daß ihr Gesicht unter Wasser gerät. Langsam und wellenförmig gleitet sie durch das Wasser, mal unter den Achseln, mal an den Beinen gehalten.

„Wassertanzen“ nennen sich diese geführten Bewegungen, und der Mann, der andere Menschen im Saunabad im BBZ in Tiergarten in Bewegung bringt, heißt Karl Thomas. Der Tischler lernte dieses Gemisch aus Meditation, Körperarbeit und Therapie vor fünf Jahren bei dem Schweizer Aman Schröter, einem der Erfinder des Wassertanzens. Thomas wandelte die Bewegungen ein wenig ab. „Mein Wassertanzen ist weniger dynamisch, weil ich den Schwerpunkt auf das Loslassen, auf das Abgeben von Kontrolle lege.“ Dadurch soll der Mensch Vertrauen und Sicherheit gewinnen.

Nach einigen Minuten bewegt er seinen Klienten unter Wasser. Er legt ihn auf den Grund und hält ihn nur noch am kleinen Finger fest. Am Ende möchte der Kunde gar nicht mehr aufhören, er will noch einmal untertauchen und die besondere Entspannung genießen. „Nicht immer laufen die Sitzungen so harmonisch ab“, sagt er. „Gerade wenn Menschen das Wassertanzen zum ersten Mal erleben, sind viele Verkrampfungen und Ängste zu lösen. Da kommt es häufig vor, daß ich nur über Wasser arbeite.“

Nicht nur für die Seele und das Selbstgefühl soll das Wassertanzen Balsam sein, es hat auch eine körpertherapeutische Seite. „Durch die wellenförmigen Bewegungen wird die Muskulatur, besonders der Lendenwirbelbereich und der Nacken, gelockert“, erzählt Karl Thomas.

Während noch vor einigen Jahren die meisten Schwimmbadbesucher ihre Bahnen simpel kraulend oder brustschwimmend absolvierten, um dann unter die warme Dusche zu gehen, sind heute neue Formen der Bewegung im Wasser gefragt. Die Fitneßwelle und die schnell wachsende Zahl von Spaßbädern, in denen die Besucher auf immer neue Attraktionen warten, ließen in den USA die Idee des „Aqua-Fitneß“ aufkommen. Diese Sportart ist eine Art ins Wasser vorgelagertes Aerobic, bei dem die TeilnehmerInnen ihre Schritte und Bewegungen im schultertiefen Wasser durchführen.

Seit diesem Jahr wird Aqua-Fitneß auch von 21 Berliner Schwimmbädern angeboten. „Power-Gymnastik“ nennt Martina Litti dieses Training. Die ausgebildete Schwimmlehrerin veranstaltet zweimal in der Woche Aqua- Fitneß-Stunden. „Aqua-Fitneß ist besonders für Übergewichtige gut geeignet, weil im Wasser viele Übungen leichter fallen“, sagt sie. Dabei ist die Wirkung auf die Muskeln sogar noch größer als bei Fitneß an Land, weil Wasser verdrängt werden muß.

Daniela hat bisher zweimal an Aqua-Fitneß teilgenommen: „Danach fällt man ins Bett und ist fertig.“ Die 29jährige gehört zu denjenigen, die der Atmosphäre in Fitneß-Studios nichts abgewinnen können. „Beim Aqua-Fitneß aber schlage ich zwei Fliegen mit einer Klappe: Zuerst schwimme ich meine Bahnen, und danach mache ich Gymnastik.“

Fitneß im Wasser wird wie Aerobic mit Trainingsgeräten betrieben. Es gibt Kästen, auf die man hüpfen muß, Stepbretter und Flossenhandschuhe, die die Armbewegungen im Wasser erschweren. Wie bei anderen Modesportarten komme wohl manch eine nur wegen der poppigen lila Handschuhe, vermutet Litti. Diese Teilnehmerinnen seien enttäuscht, wenn eine Stunde ohne Geräte stattfindet.

Und das kommt oft vor: Zum einen sind die Geräte teuer, zum anderen schwierig zu lagern, denn die Schwimmbäder haben nicht immer dafür einen Raum.

Auch in der Gerätekammer muß sich diese neue Sportart erst einen Platz erobern. Dafür hat sie einen anderen Vorteil gegenüber normaler Fitneß. Die Gelenke werden beim Hüpfen und Rennen geschont, denn das Wasser federt ab. Deshalb ist Aqua-Fitneß besonders für Menschen mit Gelenkschwächen oder Sportverletzungen geeignet.

Das „Wassertanzen“ findet donnerstags ab 19 Uhr im Saunabad BBZ, Lützowstraße 106 statt. Vorherige Anmeldung unter 618 75 61. Eine halbe Stunde kostet 50 Mark.

Eine Liste der Schwimmvereine und -bäder, die „Aqua-Fitneß“ angebieten, verschickt der Berliner Schwimmverband, 784 20 37. Eine halbe Stunde kostet 5 Mark.