: Das Aids-Virus ist spurlos verschwunden
■ Eine europaweite Studie führt zu einem verblüffenden Ergebnis: Neun Kinder entledigten sich ihrer HIV-Infektion, ohne irgendwelche Medikamente zu nehmen
Berlin (taz) – Können Kinder das Aids-Virus HIV besiegen? Eine gestern von der britischen Medizin-Fachzeitschrift Lancet veröffentlichte europaweite multizentrische Untersuchung hat Ärzte und Wissenschaftler in Erstaunen versetzt. In der Studie konnte nachgewiesen werden, daß bei neun von insgesamt 264 infizierten Kindern, also in 2,7 Prozent der Fälle, das Virus „verschwunden“ ist.
In vier europäischen Städten (Genua, Padua, Brüssel und Stockholm) hatten Ärzte die Kinder, die sich alle bei ihren infizierten Müttern angesteckt hatten, über längere Zeit beobachtet. Die Kinder wurden bis zum Alter von 18 Monaten alle drei Monate auf das Virus getestet. Als Methode bedienten sich die Labors des Direktnachweis der Virus-DNA und des Antikörpertests.
In neun Fällen war es dem Körper der Kinder offenbar gelungen, mit dem Virus fertig zu werden. Aber niemand weiß, wie sie das geschafft haben. Weder die Kinder, noch deren Mütter hatten antivirale Medikamente bekommen. „Wenn wir verstehen, wie Virus- positive Kinder ihre Infektion loswerden, können wir Einsichten in den Mechanismus der Virus-Beseitigung gewinnen. Dies könnte für die Entwicklung von Impfstoffen wichtig sein“, heißt es in der gestern veröffentlichten Studie.
Das Phänomen, daß Babies, vereinzelt aber auch Erwachsene, die HIV-Infektion wieder loswerden, war in wenigen Fällen bereits aufgetreten. Es gab bisher allerdings keine seriösen wissenschaftlichen Untersuchungen, sondern meist nur anekdotenhafte Einzelberichte darüber. Skeptische Wissenschaftler hatten sie mit dem Hinweis auf mögliche Meß- und Laborfehler zurückgewiesen. „Nun bin ich mehr und mehr davon überzeugt, daß es ein echtes Phänomen ist“, kommentierte John Lambert von der John-Hopkins-Universität in Baltimore die aufregende Studie.
Die Kinder werden jetzt weiter beobachtet und getestet. Falls sich das Virus vorübergehend im Körper „versteckt“ hält, müßte dies bei den Folgeuntersuchungen auffallen. Manfred Kriener
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