Saddams Atomspion ist ein alter Bekannter

■ Der Verdacht gegen den Kaufbeurer Ingenieur ist Bonn seit Monaten bekannt: Gegen ihn wurde bereits ermittelt. Wahrscheinlich ist er in Brasilien untergetaucht

Kaufbeuren (taz) – Der Skandal um die deutsche Hilfe beim Bau einer irakischen Atombombe hat einen eigentümlichen Vorlauf: Bereits seit Monaten wußten die deutschen Behörden von dem Verdacht gegen den mutmaßlichen Atomspion Karl-Heinz Schaab (61), nach dem jetzt gefahndet wird.

Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) hat Informationen darüber, daß die deutschen Behörden spätestens im Oktober informiert wurden. Das war unmittelbar nachdem bereits eine erste Durchsicht der am 22. September in Wien eingetroffenen irakischen Akten eine Beteiligung des Ingenieurs an der Atomspionage ergeben hatte.

Mindestens noch einen Monat nach der Information hielt sich Schaab in Deutschland auf. Aus Bonner Sicherheitskreisen war auch zu erfahren, daß Schaab vorübergehend auch bei der umstrittenen Fahrzeugbaufirma Rhein- Bayern beschäftigt war. Rhein- Bayern hat jahrelang die Justiz wegen illegaler Waffenlieferungen in den Irak beschäftigt. Karl-Heinz Schaab, der dem Irak 1991 die Pläne zum Bau einer Urananreicherungsanlage beschafft haben soll, konnte im Zusammenhang mit Rhein-Bayern aber nicht belangt werden.

Bei einem merkwürdigen Einbruch in seinem Wohnhaus in Kaufbeuren-Neugablonz verschwanden wichtige Beweismittel. Der Kunststoffexperte wurde allerdings im Strafbefehlsverfahren zu einer mehrmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt.

Als die Staatsanwaltschaft seine Frau und ihn am Wickel hatte, türmte Schaab nach Österreich, wurde anschließend aber an die Bundesrepublik ausgeliefert. Immer wieder hieß es, der Ingenieur stecke ganz dick im Irak-Geschäft. Doch beweisen ließ sich das nie. Insider gehen davon aus, daß Schaab erst nach seiner Rhein- Bayern-Tätigkeit vom irakischen Geheimdienst angeworben wurde.

Den Irakern blieb offensichtlich nicht verborgen, daß der 61jährige ein exzellenter Fachmann auf dem Kohlefasergebiet war. Im Irak soll er dann an der Montage einer Urananreicherungsanlage beteiligt gewesen sein. Ein Inspektionsbericht der IAEO vom 10. Januar besagt, daß Schaab „persönlich den oberen Teil eines Zylinders der Spezial-Test-Turbine montiert“ hat.

Daß der Irak durch Schaabs Hilfe kurz vor dem vollendeten Bau einer Atombombe gestanden habe, sorgt in der Bundesrepublik, aber auch in Amerika für erheblichen Wirbel. Die IAEO bezweifelt dies jedoch. Es habe sich wohl mehr um Industriespionage gehandelt. Meldungen, nach denen sich Schaab nach Brasilien abgesetzt hat, sind nicht unwahrscheinlich. Dort soll er ein Haus besitzen, außerdem wohnen Verwandte in Brasilien. Klaus Wittmann