Union der Masochisten

■ Europa auf Kosten der Arbeitslosen

1999 wird, wenn es so weitergeht, Luxemburg allein dastehen, ganz ohne Partner für eine Europäische Währungsunion. Deutschland jedenfalls wird es in diesem Jahr wieder nicht schaffen, die Zielvorgaben des Maastricht-Vertrags für das Haushaltsdefizit einzuhalten, prognostiziert die Regierung in ihrem Jahreswirtschaftsbericht. Eine letzte Chance hat die BRD – und damit die ganze Währungsunion – noch im nächsten Jahr, wenn die Teilnehmerländer festgelegt werden.

Also wird die Regierung alles daransetzen, zu sparen und nochmals zu sparen, um wenigstens 1997 die Neuverschuldung unter die im Vertrag festgesetzte Obergrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu drücken. Sie muß doppelt sparen, denn die Steuereinnahmen sinken mangels wirtschaftlicher Dynamik, während zugleich die Ausgaben wegen der gigantischen Arbeitslosigkeit steigen.

Die goldenen Jahre sind unwiederbringlich vorbei. Immer konkreter werden die Planungen, wo das soziale Netz noch ausgedünnt werden kann und wo die Arbeitnehmer noch zur Ader gelassen werden können. Das wäre dem arbeitenden beziehungsweise arbeitslosen Volk vielleicht gerade noch nahezubringen, wenn das Geld dann an die Arbeitgeber in einer solchen Weise umverteilt würde, daß diese damit einen Anreiz zur Einstellung von mehr Arbeitskräften bekommen. Aber nein, zugleich soll der Haushalt saniert werden, ausgerechnet jetzt, während einer wirtschaftlichen Talfahrt, die ganz Europa mit sich zu reißen droht.

Und wozu das Ganze? Damit in einem willkürlich festgesetzten Jahr willkürlich festgesetzte Verschuldungsgrenzen eingehalten werden. Selbst die altehrwürdige Financial Times wundert sich da. EMU steht für die englische Wirtschaftszeitung schon nicht mehr für die Währungsunion, die „Monetary Union“, sondern für „European Masochists Union“.

Schon lange hat vor allem in Deutschland Arbeitsmarktpolitik der puren Haushaltspolitik Platz gemacht, darüber kann auch kein angebliches „Bündnis für Arbeit“ hinwegtäuschen. Früher einmal hat der Staat noch versucht, konjunkturelle Durststrecken durch eine Lockerung der Zinsen und zeitweilig höhere Ausgaben zu überbrücken. Allein die herrschende Ideologie ist eine andere. Die Koalition wird sich aber dennoch irgendwann entscheiden müssen zwischen Maastricht und einer aktiven Politik zur Bekämpfung der akuten Probleme daheim. Und zwar bald. Die französischen Arbeiter lassen grüßen. Nicola Liebert