Versuchungen widerstanden

■ Der Monteverdi-Chor mit Mendelssohns „Elias“ im Michel

Es ist eine blutige Welt: Als König Ahab die Herrschaft in Israel an sich nimmt, so vor 2871 Jahren, führt er den heidnischen Baalskult ein und läßt alle Propheten Gottes abschlachten. Einzig Elias streitet noch für Zebaoth, verkündet dessen Rache und geht ins Exil. Als er nach Jahren ins mit Dürre gestrafte Land zurückkehrt, schlägt er Ahab einen spektakulären Wettkampf vor: Die Götter selbst sollen entscheiden und Brandopfer entzünden. Elias gewinnt souverän. Die falschen Propheten – 450 an der Zahl – „erwürgt er mit dem Schwert“. Zur Belohnung gibt es Regen. Doch Elias hat die Rechnung ohne die Königin gemacht. Er flieht in die Wüste, verzweifelt beinah, bis sich Gott offenbart, und fortan kämpft er zornig, bis ihn feurige Rosse in den Himmel tragen.

Felix Mendelssohn Bartholdy reizten an dem alttestamentarischen Stoff die Unmittelbarkeit des Ausdrucks, die Größe der Personen, die kraftvollen Bilder. Die Aufführung seines romantischen Oratoriums Elias am Sonnabend im Michel unter Gothart Stier war – trotz feindlicher Akustik – rundum gelungen. Das Philharmonische Staatsorchester Halle konnte seinem Dirigenten noch so lebendig folgen, es klang wie aus dem Hinterzimmer. Vor allem die Streicher litten.

Der Monteverdi-Chor war den Bedingungen besser gewachsen und trug präzis und transparent nicht nur weite Strecken der Handlung, sondern auch die klangliche Entwicklung bis in die Tutti.

Eine glückliche Hand bewies Stier mit den Solisten. Der Prophet war mit Siegfried Lorenz gut besetzt. Er vermochte, die große Rolle des Elias in die Stimme zu legen. Im Disput mit dem König streng, feuerte er voll Hohn die vergebliche Baalsbeschwörung an, steigerte sich in der Verzweiflung von kontemplativem Schmelz bis zu eiferndem Zorn – und klang dank seiner natürlichen Autorität stets klar und verständlich. Von den übrigen Solisten überzeugte insbesondere Magdalena Hajossyova in gottgefälligen Ariosi.

Stier zeigte ein feines Gespür für Tempi im Dienst der dramatischen Gestaltung, widerstand aber christlich fest der Versuchung des blanken Effekts. Nur der Ehrfurcht vor dem Ort und dem Genre ist es wohl zuzuschreiben, daß die Zuhörer nicht in lautstarke Begeisterung ausbrachen. Hilmar Schulz