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Das Lager als Lebenslast

■ Bilder aus Auschwitz: Der Widerstandskämpfer Jozef Szajna zu Gast in Oldenburg

„Himmler, Hitler, alle sind tot, ich hab' sie überlebt; nur Antifaschisten leben.“ Jozef Szajna hat überlebt: Der Professor, international anerkannter polnischer Kunst- und Theaterfachmann, durchlitt als Häftling 18729 das Vernichtungslager Auschwitz. Mit 17 Jahren kämpfte Szajna im antifaschistischen Widerstand. Im Sommer 1941 wurde er nach Auschwitz geschleppt. 1945 erlebte er seine Befreiung in den Steinbrüchen von Schönebeck, eines Außenlagers von Buchenwald. Vom Leid der Lager erzählen Zeichnungen von Szajna, die zur Zeit in der Ausstellung „Bilder von Auschwitz“ in Oldenburg zu sehen sind. Szajna kam selbst zur Eröffnung; auch, um über ästhetische Annäherungen an Auschwitz nachzudenken.

Während der Bombenangriffe auf Schönebeck hielt er mit Bleistift und Tusche auf 20 Zetteln seine Erinnerungen an Auschwitz fest. Namenlose Gesichterkolonnen in Streifenanzügen beim Appell; nackte Gefangene im Block 11, die auf ihre Exekution warten. Er war einer von ihnen. Als er aus dem Todesblock wieder herauskam, begann sein zweites Leben, sagt er. Wie „Spuren seines Lebens“ sollten die Zettel sein und unter dem Strohsack liegen bleiben. Die Säcke lagen schon zur Verbrennung bereit, als er mit anderen ehemaligen Häftlingen ins Lager zurückkehrte und vier seiner Bilder aus der Baracke rettete.

In Freiheit, aber immer „mit dem Lager auf dem Buckel“ lebt er seitdem und verarbeitet seine Erlebnisse in Kunstwerken und Theaterstücken. „Ich hasse Politik. Es gibt Barbarismus und Kultur, ich gehöre der Kultur“, stellt er mit Nachdruck fest. Was er am Abend in Oldenburg mit seiner 1971 entstandenen Perfomance „Replica“ im Video zeigt, gefällt ihm auch nicht, sagt er. Aber das Böse sei eben nicht ästhetisch. Fünf halbtote, zerstörte Kreaturen wühlen sich aus einem Haufen Dreck, aus den Resten der Zivilisation. Sie sind sich fremd, sie betasten und schlagen sich. Eine verletzte Frau kämmt mit einem im Schutt gefundenen Kamm die Haare einer grauenvoll zerstückelten, lebensgroßen Puppe. Ein Mann kriecht durch braune Erde, gräbt seine Finger hinein, läßt sich die Erde über den verbundenen Kopf rieseln und versucht sich damit zu bedecken. In diesen 45 Minuten des Grauens sprechen die Schauspieler fast kein Wort. Die Stille wird nur durch Stöhnen und Schlagen unterbrochen. An einer Stelle wird „Hilfe, Hilfe ...“ geschrieen – aber niemand hilft.

Seit 1971 wurde „Replica“ in vielen Ländern aufgeführt, immer wieder etwas anders. Szajna kämpft damit gegen den Krieg, gegen den Mord an Zivilisten in Vietnam, Kambodscha, Bosnien und Tschetschenien – und er kämpft gegen das Vergessen. „Wer die Waffe in die Hand nimmt oder verkauft“, sagt Szajna, „der ist auch mit schuld; verstehen Sie, der macht ja Mord.“ Er plädiert für ein Gesetzbuch und für ein Gericht, das vor einem großen Krieg über Terror und Gewalt richtet – nicht danach wie in Nürnberg. Sonja Schindler

„Bilder von Auschwitz“, bis 18.2. im Oldenburger Museum für Naturkunde und Vorgeschichte

Vortrag am Mittwoch, 31.1., 20.15 Uhr, mit Silke Wenk: „Ein Altar des Vaterlandes für die neue Hauptstadt?“ – Zur Kontroverse um das Denkmal für die ermordeten Juden in Berlin

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