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■ StandbildFernsehen als Tierversuch

„Hamster TV“, Sonntag, 18 Uhr, Sat.1

Manchmal fühlen Menschen sich gezwungen, mit einem Ofenrohr Tennisbälle aufzufangen. Oder sie müssen wie in Fuchsbergers „Spiel mit mir“ mit echten Staubsaugern und einem echten Tischtennisball Pingpong gegeneinander spielen. Zuweilen sind diese Spiele ohne Grenzen; in „Wünsch dir was“ wäre 1970 eine Kandidatin bei einem simmulierten Unterwasser-Autounfall beinahe ertrunken.

Doch derartige Phänomene sind weniger in freier Wildbahn als in Fernseh-Spielshows zu beobachten, wo die Gattung Mensch Männchen macht. Vom darwinistischen Standpunkt aus gesehen erscheint es noch zweifelhaft, ob derartige Verhaltensrituale der Anpassung an die mediale Umwelt dienen oder ob es sich schlicht um Degenerationserscheinungen handelt. Beim „Hamster TV“ haben wir es nun mit Fernsehen von Tieren für Tiere zu tun. Esel, Enten, Mäuse, Hunde und Würmer absolvieren Tele-Spiele, die zuvor am Menschen erfolgreich getestet wurden. Turbo, der Wurm, macht sich krumm und kriecht als erster über die Ziellinie. Das soll ihm erst mal einer nachmachen!

Zwischendurch verbreitet ein gewisser Thomas seinen Koschwitz. Vergeblich bemüht der doofe Dicke sich um die korrekte Aussprache des Wortes „Aranschniophobia“. Nur lachen ist schöner. Geradezu anspruchsvoll wird es, wenn der zu Sat.1 gewechselte Koschwitz seinen vorigen Arbeitgeber Helmut Thoma (RTL) zitiert: „Der Wurm muß dem Fisch schmecken und nicht dem Angler.“ Aber dieser „Wurm“ ist ungenießbar; selbst wenn Turbo für die Zuschauer einen „Handstand“ macht (obwohl er keine Hände hat). Fernsehen als Tierversuch.

Die Erbärmlichkeit dieser Tiershow wird allein durch die Charakterlosigkeit der Affen aus dem Toyota-Werbespot übertroffen, die sich selbständig gemacht haben und nun mit ihren kurzen Clips bei Koschwitz weit unter ihrem Niveau bleiben. Tierisch gut drauf ist allein die Tierpflegerin, die zwischendurch immer erklären muß, daß alles mit rechten Dingen zugeht. Als ob wir das nicht mit eigenen Augen sähen!

Auf die Frage „Was ißt Ihre Maus?“ antwortet die Kandidatin glasklar: „Futter“. Das Motto der Sendung: „Schreiben Sie uns, wenn Sie eine Ähnlichkeit mit Ihrem Tier haben.“ Und das am Ende des Gutenberg-Zeitalters. Edgar Schmitt

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