Betreten und betroffen über die Chefsekretärin

■ Elisabeth Kiausch: Ein Porträt und Reaktionen auf ihre Wahl zur SPD-Fraktionschefin

rauen können in der Politik nichts werden? Sekretärin ist ein unterbezahlter, gesellschaftlich unterschätzter Beruf? Nicht so in Hamburg! Das politische Urgewitter Elisabeth Kiausch beweist uns das Gegenteil. Die Frau mit der knallharten Maggie-Thatcher-Frisur steht für profilreiche Politik wie kaum eine andere: Ob als Finanzsenatorin, Chefin der Senatskanzlei im Senatorenrang, Bürgerschaftspräsidentin, Vorsitzende des Haushaltsausschusses oder jetzt gar als Domina der SPD-Bürgerschaftsfraktion – wer die Hamburger SPD-Politik verstehen will, findet ihre edelsten Qualitäten in Elisabeth Kiausch, dem einzigen weiblichen Mitglied der Wandsbek-Connection, prachtvoll gebündelt.

Was einige Kritikaster als Erbsenzählerei, reaktionäres Hausfrauentum oder knallharte Filzpolitik mißverstehen, sind in Wahrheit die Markenzeichen sozialdemokratischer Politik: Augenmaß, Gefühl für die kleinen Leute und die rechte Loyalität. Selbst der Undank der Partei, die sie auf Parteitagen mehrfach mit katastrophalen Wahlergebnissen abstrafte, konnte sie nicht erschüttern.

Nein, so richtig stinksauer war Voscheraus Chefsekretärin Kiausch nur einmal: Damals, 1992, als Hamburgs aufmüpfige Journaille ihr über den Stopp der Diätenerhöhung auch die üppige SenatorInnenrente beschnitt. Wütend hielt sie dagegen: „Die Höhe der Diäten ist fraglos ein Stück Selbsteinschätzung des Parlaments. Wer nur Großgrundbesitzer, Landadel, Bergwerksbesitzer und Eisenbahnbarone haben will, der kommt mit 300 Pfund Sterling pro Jahr aus. Wer aber solchen Menschen die Gestaltung der Stadt anvertrauen will, die ein Spiegelbild der Bevölkerung darstellen und den Wert ihrer Arbeit in Konkurrenz zu anderen selbstbewußt einschätzen, der muß dies auch in Geld ausdrücken.“

Nein, von 300 Pfund muß Voscheraus treue Chefsekretärin, der er selbst als Senatorin gern mal die Briefe diktierte, heute nicht leben. Diese Frau weiß und wußte sich zu wehren. Und, fragt man uns: Elisabeth, Spiegelbild vielleicht nicht der Bevölkerung, aber sicher doch dieser unserer SPD, sollte endlich auch Bürgermeisterin werden.

Elisabeth I. for President! Florian Marten

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lücklich war gestern nur die Opposition. Während CDU und GAL über die zu erwartenden „flammenden Reden“ der frischgekürten SPD-Fraktionsvorsitzenden Elisabeth Kiausch und den verwegenen Aufbruch zu neuen sozialdemokratsichen Ufern feixten, herrschte bei den Roten Katzenjammer. Zwischen Flügel-Vereinbarungen und linken Intrigen hat überraschend eine SPD-Rechte das Rennen gemacht. Damit können viele leben, zufrieden sind die meisten mit diesem Ergebnis nicht.

Bei 56 anwesenden Abgeordneten-Stimmen hat die 63jährige Kiausch nicht einmal die einfache Mehrheit bekommen. Acht Enthaltungen, satte 14,3 Prozent, machen deutlich, daß viele Sozis sich bei dem Personalangebot – Elisabeth Kiausch oder Dorothee Stapelfeldt – nicht wiederfanden. Die Wahl Kiauschs sei „fatal“ und „läßt die SPD furchtbar alt aussehen“, so der Eimsbüttler SPD-Chef Heinz Uthmann zur neuen SPD-Senioren-Chefetage im Rathaus.

Im letzten Augenblick hatten die Rechten die altgediente Genossin Kiausch aus dem Hut gezaubert. Obwohl Stapelfeldt (links) im ersten Wahlgang nur 10 Stimmem bekam, zog sie ihre Kandidatur nicht zurück. Beim Duell der Frauen habe sie sich „die größeren Chancen“ ausgerechnet. Ihr linker Gegenspieler Walter Zuckerer (21 Stimmen) trat hingegen zum zweiten Wahlgang nicht an. Bei der Stichwahl hatte Stapelfeldt sich vorgedrängelt.

„Meine Kandidatur hat einiges durcheinandergebracht“, sagt Zuckerer. Er ist neben der von Bürgermeister Voscherau und Landes-Chef Kuhbier protegierten Stapelfeldt als zweiter linker Kandidat angetreten. Daß der 39jährige für die SPD-Rechte kein akzeptabler Kandidat war, zeige allein schon Kiauschs Kandidatur. Silke Mertins