Teurer Salat

■ Wer verkabelt ist, muß manchmal nur 10 und manchmal gleich 30 Mark im Monat dafür zahlen. Das ist Marktwirtschaft

Grau war der Äther, Schneegeriesel füllte den Schirm, und der Weg zu Harry Wijnford war weit. Am Anfang war in der DDR die FDJ und knickte die Antennen für den unerwünschten Westempfang, später setzte die Mangelwirtschaft Hürden vor den Erwerb simpler Antennenkabel. Als dann die Mauer fiel, sprossen Schüsseln aus dem Putz, immer länger zuckte blau das Licht aus den Fenstern und kündete von der neuen Freiheit. Sie war süß, die Freiheit, aber sie war teuer.

Mittlerweile mögen manche Ostdeutsche die Fernsehfreiheit nicht mehr, aber man will sie zu ihrem Glück zwingen – oder jedenfalls zum Zahlen. In Prenzlauer Berg, einem der einkommensschwächsten Berliner Bezirke, wehren sich mittlerweile Hunderte von Mietern gegen den zwangsweisen Anschluß ans Kabelnetz der Telekom. 14,40 Mark monatlich soll jeder dafür zahlen, egal ob er Fernsehen guckt oder nicht. In manche Häuserblöcke trauen sich die Monteure der beiden beauftragten Kabelfirmen kaum mehr hinein. Die Unternehmen hatten auf einen schönen Reibach gebaut, weil ihnen ein Vertrag mit der Wohnungsbaugesellschaft des Bezirks den Anschluß sämtlicher ihrer 25.000 Mieter zum genannten Preis versprach.

Der Versuch, Mieter zur Kabelnutzung zu zwingen, ist neu, aber ansonsten wird bei der Verkabelung im Osten ein Spiel gespielt, das schon im Westen oft zu Streit geführt hatte. Bislang galt: Zahlen muß der Mieter nur, wenn der Vermieter die Anlage als Modernisierungsmaßnahme installiert hat – und auch nur für diese kann er zwangsweise zur Kasse gebeten werden, nicht für die Nutzung. Oft kamen Kabelgesellschaften und Vermieter auch gemeinsam und mit sanftem Druck ans Ziel: Die Hausbesitzer ließen die Dachantenne einfach abmontieren, und wer von den Mietern keine zusätzlichen Kabelprogramme sehen wollte, mußte jetzt eine reduzierte Kabelgebühr zahlen, um dieselben Sender weiter zu empfangen, für die sie schon ihre Rundfunkgebühr entrichtet hatten.

Doch während die Festsetzung der Rundfunkgebühren in diesen Wochen mit Feilschen und Stöhnen einhergeht (Bild sich gar im „Gebührenschock“ findet), wird der Zuschlag für die Herren des Kabels offenbar frank und frei festgelegt – und allgemein auch ohne Murren bezahlt. Dabei geht es hier um ganz andere Summen als bei der angekündigten Erhöhung der Rundfunkgebühren um 4,45 Mark: Warum zahlt mein Nachbar fürs Kabel eigentlich nur gut 10 Mark im Monat und ich fast 30?

Fest ist nur ein Preis, derjenige der Telekom. Für 22,50 Mark liefert der Monopolist bis in den Keller eines Einfamilienhauses. Wohnen aber zum Beispiel zehn Haushalte über dem Übergabepunkt, nimmt die Telekom 159 Mark (statt 225) und nennt die Differenz Rabatt. Anders jede der unzähligen mehr oder minder kleinen privaten Kabelgesellschaften. Sie dürfen ihren Preis frei festsetzen. Dem Kunden bleibt, ihn zu zahlen, weil er keine Alternative hat.

Klar, daß sich das Geschäft für die am meisten lohnt, wenn die möglichen Kabelopfer vollständig angeschlossen werden. Längst versorgen die privaten Gesellschaften nicht mehr nur einzelne Mehrfamilienhäuser, sondern riesige Wohnanlagen, Stadtviertel, im Osten sogar ganze Ortschaften. Da läßt sich natürlich Geld verdienen.

Die Privaten waren überhaupt erst zum Zuge gekommen, weil sich das politische Ziel der Verkabelung mit der Telekom (und zuvor der Bundespost) nicht recht erfüllt hatte. Zu langsam war sie beim Netzausbau gewesen und zu wenig hinterher, möglichst viele Zuschauer freiwillig ans Netz zu binden. Ein Großteil war nämlich ganz zufrieden mit der Zahl der Antennenprogramme und nicht unbedingt erpicht aufs Kabel. Da durften sich die Privaten ein Gebiet suchen, wo die Telekom mit der Verkabelung nicht zu Rande kam und dort als Quasi-Monopolist selber tätig werden – die Preise konnten sie selbst kalkulieren.

Mittlerweile versorgen diese Unternehmen etwa 6 der knapp 16 Millionen Kabelkunden. Für 2 Millionen holen sie das Signal auch gar nicht mehr von den Telekom- Übergabepunkten, sondern fangen sich die Programme mittels Schüssel selbst vom Himmel.

So entstanden völlig autonome private Kabelnetze. Ihre Betreiber arbeiten emsig daran, aus kleinen große Netze aus Glasfaser zu knüpfen, um für das Geschäft mit der Medienzukunft gerüstet zu sein. Dann wollen sie allen ihren Kunden weit mehr als die 30 Programme bieten, die ins Telekom- Kabel passen. Gegen ein Draufgeld, versteht sich, können dann verschiedene Programm-„Sträuße“ mit Spartenprogrammen empfangen werden. Wenn die allerdings in Pay-TV umgewandelt werden, kommt es für die Kabelkunden noch dicker – zur horrenden Kabelgebühr kommt dann noch das Abo dazu. Lutz Meier