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Lob und gleichzeitig Wunschliste

■ Türkischer Bund findet Koalitionsvereinbarungen zur Ausländerpolitik nicht schlecht, hat aber viel Einzelkritik

Der „Türkische Bund in Berlin- Brandenburg“ (TBB) findet die Koalitionsvereinbarungen zwischen CDU und SPD „in den Grundzügen annehmbar“, hat jedoch jede Menge Kritik an den Einzelheiten. Für höheren Blödsinn hält TBB-Sprecher Safter Çinar beispielsweise die „CDU- Lieblingsformulierung“ in der Präambel, Berlin sei „die Hauptstadt aller Deutschen“: „Es dürfte doch klar sein, daß Berlin nicht die Hauptstadt der Franzosen oder Japaner ist.“ Andererseits sei zu begrüßen, daß der Begriff „Ausländer“ in den Vereinbarungen vermieden und durch Formulierungen wie „Nichtdeutsche“ ersetzt worden sei.

Daß die Berliner Verordnungen dem Antidiskriminierungsverbot im Grundgesetz und in der Landesverfassung angepaßt werden sollen, findet der Türkische Bund zu wenig. Es seien Antidiskriminierungsbeauftragte in den Behörden einzusetzen, so Safter Çinar, die anders als etwa der Ausländerbeauftragte der Polizei mit Kontroll- und Eingriffsmöglichkeiten ausgestattet werden müßten.

Die Migrantenorganisation verlangt zweitens, daß die Interessenverbände von Nichtdeutschen nach skandinavischem und holländischem Vorbild von Staats wegen anerkannt und gefördert werden. Dritter Punkt ihrer Wunschliste: Nicht nur der Zugang zum Polizeidienst, sondern zum öffentlichen Dienst insgesamt müsse Nichtdeutschen erleichtert werden. „Es ist typisch“, so Çinar, „daß der Ausländer auf den Ausländer achtgeben soll.“ Viertens wünscht der Türkische Bund unter dem Stichwort „ethnische Ökonomie“ unter anderem die Gleichstellung nichtdeutscher Gewerbetreibender beim Zugang zu günstigen Krediten. Fünftens beklatscht er die Absicht der Koalition, die Ausländerbehörde von einem negativen zu einem positiven „Aushängeschild der Stadt“ umzumodeln.

Ebenfalls begrüßenswert findet der Bund, „daß die skandalösen Wartezeiten bei der Bearbeitung von Einbürgerungsanträgen (bis zu 24 Monate) verkürzt werden sollen.“ Einbürgerungsbegehren seien doch „keine Betriebsgenehmigungen für Kernkraftwerke“, empörte sich Safter Çinar, „hier wird bewußt blockiert“. Im letzten Jahr seien 44.500 solcher Anträge gestellt, aber nur 12.500 Nichtdeutsche tatsächlich eingebürgert worden, ergänzte TBB-Geschäftsführer Kenan Kolat.

Siebtens fordert der TBB eine Bundesratsinitiative, wonach hier geborene Nichtdeutsche bei Straffälligkeit nicht wie bisher ausgewiesen werden dürfen. Achtens wünscht er mehr zweisprachige Erziehung. „Bedauerlich“ und „seltsam“ findet er neuntens, daß CDU und SPD mit keinem Wort die Belange nichtdeutscher SeniorInnen erwähnen. Zehntens möchte er den alten Trägerkreis für die Werkstatt der Kulturen erweitert sehen. Und last but not least, wünscht er sich – ähnlich wie die SPD – die Erweiterung der Rechte der Ausländerbeauftragten. Ute Scheub

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