Synagogengemeinde Adass Jisroel streitet um rechtliche Anerkennung

■ Berlin bestreitet Rechtskontinuität

Berlin (taz) – In Berlin bemüht sich seit Jahren die jüdisch-orthodoxe und unabhängige Synagogengemeinde Adass Jisroel um Anerkennung und Geld. Auf das Geld hat sie seit Anfang 1995 Anspruch; jährlich zwei Millionen Mark vom Berliner Senat, plus Zusatzmittel für die Instandsetzung ihrer Einrichtungen. Mit der Anerkennung hapert es noch, seit Jahren streiten sich die Adass-Anwälte und der zuständige Kultursenat vor den Verwaltungsgerichten um den gesetzlichen Status der kleinen Gemeinde im Ostteil der Stadt. Nach eigenen Angaben hat sie etwa 1.000 Mitglieder.

Die strittige Frage lautet: Ist die 1885 von König Wilhelm von Preußen als Körperschaft des öffentlichen Rechts (KdöR) anerkannte Religionsgemeinschaft immer noch – und zwar ununterbrochen – eine KdöR, wie Adass es festgestellt haben möchte? Oder ist sie, wie es der Senat behauptet, eine „Neugründung“, die jederzeit den Status einer KdöR beantragen könnte und diese auch erhalten würde. Unstrittig ist einzig und allein, daß die Auflösung der alten Körperschaft 1939 durch die Nazis unwirksam ist. Und dennoch geht es bei dieser Auseinandersetzung, die sich um Begriffe dreht wie „Kontinuität“, „Untergang“ und „Identität“, um deutsche Geschichte. Es geht um die Shoah, um „Neubeginn“ oder „Neuanfang“ nach 1945, um die Einheitsgemeinde im Westen und um Honeckers opportunistisches Werben um die Juden ab 1985 im Osten und endlich um die Tücken des Einigungsvertrages. Denn Lothar de Maizière, der erste Ministerpräsident der Wende-DDR war es, der im Dezember 1989 die von dem Alt-Adassianer Ari Offenberg drei Jahre zuvor wieder aktivierte Gemeinde mit allen Rechten in den Status einer KdöR versetzte. Als Akt der moralischen Wiedergutmachung verständlich, meint der Senat, nach den Bestimmungen des Einheitsvertrages – und wie kürzlich erst im Fall der Zeugen Jehovas vom Gericht festgestellt – juristisch unzulässig.

Gestern ging nun dieser Streit um Geschichte und KdöR-Recht in die nächste Runde. Verhandelt wurde vor dem Oberverwaltungsgericht das Berufungsverfahren Senat gegen Adass. Der Senat hatte Widerspruch gegen das erstinstanzliche Urteil von Dezember 1994 eingelegt. Damals beschlossen die Richter, daß die Gemeinde eine KdöR ist und trotz aller Untätigkeit von den 50er bis zu den 80er Jahren auch immer eine war. Als Religionsgemeinschaft sei sie nie erloschen, denn man könne es den wenigen, den Holocaust überlebt habenden Adassianern nicht anlasten, daß sie in Deutschland nicht wieder dort anfangen wollten, wo sie 1939 aufhören mußten. Entscheidend für die Kontinuität sei, daß die neuen Mitglieder sich den alten Auffassungen beugen.

Diese Position wiederholte gestern der Adass-Anwalt, der renommierte Bonner Verwaltungsjurist Konrad Redeker, vor dem Berufungsgericht. Der Senat dagegen bekräftige erneut, daß 1952 im Luxemburger Abkommen zwischen Bonn und der Claims-Conferenz ausdrücklich die „Diskontinität“ jüdischen Lebens in Deutschland nach dem Holocaust festgelegt und alle jüdischen Gemeinden deshalb als „Neugründungen“ definiert wurden. Im übrigen würde ein Aufgeben der Voraussetzungen für eine KdöR – nämlich eine „fortgesetzte Dauer“ – einen Präzedenzfall schaffen, den man nicht wolle. Das Gericht entschied sich gestern, seine Entscheidung erst am 22. Februar bekanntzugeben. Anita Kugler